Todessymphonie (German Edition)
gefolgt, bei dem viele der Detectives der Kriminalkommission auf die sechs separaten Reviere der Stadt verteilt worden waren. Indem er eingespielte Teams auseinanderriss und neue Leute hineinbrachte, sank die Aufklärungsquote der Mordkommission von sechsundachtzig Prozent auf magere einundvierzig Prozent. Doch die Dezentralisierung des Teams der Mordkommission war nur eine der großen Veränderungen in den letzten Jahren gewesen. Abfindungen und frühzeitige Pensionierungen hatten eine Schneise durch die Ränge der erfahrenen Detectives geschlagen – alle Abteilungen der Kriminalpolizei waren in Mitleidenschaft gezogen worden.
Trotz der lautstarken Proteste von Beamten aller Dienstgrade gingen die Umstrukturierungen weiter. Der neue Chief verkündete öffentlich, dass die Kriminalitätsrate drastisch sank, obwohl das in Wahrheit nur auf eine sehr kreative Auslegung der Statistiken zurückzuführen war. Eine der neuen Richtlinien, die Taylor schwer zu schaffen machte, war die neue Definition für Vergewaltigungen. Ein Angriff konnte erst dann als Vergewaltigung bezeichnet werden, wenn es eine vaginale oder anale Penetration mit dem Penis gegeben hatte. Taylor kannte einige Frauen, die gerade so mit dem Leben davongekommen waren und die von ihrem Angreifer gezwungen worden waren, ihn oral zu befriedigen, die man geschlagen und terrorisiert hatte, aber das galt neuerdings nur als sexuelle Nötigung.
Diese kleinkarierten politischen Spielchen brannten wie Feuer in ihr. Ihre Truppe war langsam, aber sicher entwaffnet worden.
Ihre eigene Welt hatte am dramatischsten von allen gelitten. Taylors Team war als das Murder Squad bekannt gewesen. Sie hatten in den alten Büros gesessen und von da die wirklich schwierigen Fälle bearbeitet. Um hier mitmachen zu können, musste man zur Crème de la Crème gehören. Als Lieutenant der Mordkommission hatte Taylor das Dezernat drei Jahre lang geleitet. Die Loyalität ihrer Männerund Frauen war unangreifbar, und sie hatten es geschafft, die Dezentralisierung zu überstehen und trotzdem weiter Verbrechen zu lösen, was ja auch ihre einzige Aufgabe war.
Aber Captain Delores Norris war die neue Leiterin des Office of Professional Accountability, und sie hasste Taylor voller Inbrunst. Sie hatten sich offen duelliert, und Taylor hatte verloren, und zwar richtig. Ihr Team war auseinandergerissen und auf andere Reviere verteilt worden, und ihren Boss, Mitchell Price, hatte man entlassen. Price kämpfte mit Zähnen und Klauen darum, seinen Job wiederzubekommen, und die Fraternal Order of Police unterstützte ihn, wo sie nur konnte. Aber die Gewerkschaft brauchte Zeit, um die Klage vorzubereiten und die Metro vor Gericht zu bringen.
Indem sie Taylor von Lincoln Ross und Marcus Wade getrennt hatte und versuchte, ihren ehemaligen Sergeant Pete Fitzgerald in den vorzeitigen Ruhestand zu zwingen, hatte Delores Norris sich den ersten Platz auf ihrer Arschlochliste gesichert. Aber Taylor zwei Ränge zurückzustufen, sie wieder zu einem Detective zu machen … Nun, Taylor focht diese Entscheidung mit allen Mitteln an, und ihr Gewerkschaftsvertreter stand ihr dabei zur Seite. Totalitarismus hatte in diesem Polizeiapparat keinen Platz und würde letztendlich ausradiert werden. Dazu bedurfte es nur eines massiven Fehlers vonseiten des Chiefs oder eines Bürgermeisters mit Eiern in der Hose und der Weitsicht, einzuräumen, dass seine Stadt auseinandergerissen wurde.
Aber in der Zwischenzeit wollte Taylor ihren Job behalten, und dazu musste sie ihrem alten Büro einen Besuch abstatten und das Spiel mitspielen. Und genau das hatte sie jetzt vor.
Sie wollte gerade ihre Karte durch den Kartenleser ziehen, als die Tür aufgestoßen wurde. Eine Gruppe junger Akademiestudenten strömte heraus und fröhlich plappernd die Treppe herunter. Einer blieb stehen und hielt ihr die Tür auf. Als der Weg endlich frei war, lächelte sie den jungen Mann an und betrat das CJC.
Sie folgte den blauen Pfeilen im Linoleumboden zu den Büros der Mordkommission. Auf den Fluren war es relativ ruhig, und binnen weniger Minuten war sie am Ziel.
Lieutenant Elm stand in der Tür zu ihrem – nein, seinem – Büro. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, seine buschigen Haare waren ordentlich gekämmt. Er begrüßte sie mit einem Lächeln, wassie vollkommen aus der Fassung brachte. Beinahe hätte sie seine Weisheitszähne gesehen, als das Lächeln immer breiter wurde; seine rosafarbene Zunge schmiegte sich eng an die
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