Todessymphonie (German Edition)
Tatorten, Detective. Das ist für den Augenblick alles. Ich erwarteden Statusbericht bis um siebzehn Uhr. Sie können jetzt gehen.“
Sie hatte Schwierigkeiten, den Mann mit seinen Worten in Übereinstimmung zu bringen. Lächelnd und freundlich heute Morgen, mit durchaus vernünftigen Ansagen, und doch mit seltsamen Anspielungen nur so um sich werfend. Die Bemerkungen bezüglich der Videofilme waren vollkommen unangebracht gewesen. Sie konnte sich richtig vorstellen, wie Elm und Delores Norris gemeinsam in ihrem verdunkelten Büro saßen, und sich Taylor in all ihrer Pracht mit ihrem toten Exliebhaber anschauten. Sie wusste nicht, auf wen sie am wütendsten war – auf Norris, Elm oder David Martin, der sie überhaupt erst in diese Situation gebracht hatte. Wenn er nicht bereits tot wäre, würde sie ihn jetzt am liebsten erwürgen.
Letzten Monat, nachdem die Videos von Martin und Taylor beim Sex auf einer Website aufgetaucht waren, von der man gegen Bezahlung geheim aufgenommene Amateurpornos herunterladen konnte, hatte sie ein paar Regeln gebrochen, um den Fall zu lösen. Für den Versuch, sich selber zu schützen, hatte sie sich eine Disziplinarstrafe eingehandelt.
Elms Regeln waren lächerlich. Schriftlich niedergelegte Pläne, wie sie ihre Fälle lösen wollte? Es würde mindestens zwei Wochen dauern, bis sie alle ihre Annahmen und Gedanken zu den gut vierzig offenen Fällen niedergeschrieben hätte, die sich in den letzten Wochen angesammelt hatten. Grundsätzliche Regeln zu etablieren war das eine, aber sie ohne ein Update zu dem neuesten Fall zu entlassen? Nachlässig. Genau, wie sie angenommen hatte, war Elm nicht hier, um Polizist zu sein. Er war ein reiner Verwalter. Wenigstens hatte er sich nicht wegen Baldwin quergestellt.
Sie sammelte sich. „Sie wollen keinen …“
Elm schüttelte vehement den Kopf.
„Ich sagte , Sie dürfen nun gehen. Ich habe heute Morgen andere Pflichten, die mich erwarten.“ Er schenkte ihr ein kleines wölfisches Grinsen und nickte in Richtung Tür.
Sie stand auf und biss sich auf die Lippe, um die Beleidigungen zurückzuhalten, die ihr auf der Zunge lagen.
„Schließen Sie dann bitte die Tür hinter sich“, sagte er.
Sie zog die Tür ein wenig fester als nötig ins Schloss und ging zu ihrem Schreibtisch. Auf dem lag ein Blatt Papier, farblich gekennzeichnet,einige Wörter hervorgehoben. Die Angemessenheitsliste, nahm sie an. Sie knüllte es zusammen und warf es ungelesen in den Papierkorb.
Dann ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen, zerrte das Haarband aus ihrem Zopf, fuhr sich mit den Fingern durch die Locken und massierte sich kurz die Schläfen. Elm war unzurechnungsfähig. Eines nach dem anderen, sagte sie sich. Konzentrier dich. Konzentrier dich auf den Fall.
Wenn sie ihren alten Job zurückhaben wollte, hatte es oberste Priorität, diesen Fall zu lösen und dabei Elms Inkompetenz zu zeigen.
Sie band ihr Haar wieder zusammen, atmete tief durch, holte ein Notizbuch heraus und fing an, eine Liste zu machen. Es gab mehrere Dinge, die sie heute erledigen musste, und sie hatte nicht vor, sich von dem Krötenkönig davon abhalten zu lassen.
Die Liste war ganz einfach. Noch einmal mit der Nachbarin reden. Mit dem Hausbesitzer sprechen. Den Fall aus Manchester erneut lesen. Die ViCAP-Updates anschauen. iAFIS nach Fingerabdrücken und dem Handabdruck suchen lassen. Die Tatortberichte von den Streifenbeamten einsammeln. Die Untersuchungsakte anlegen. An Page berichten. Während sie schrieb, lösten sich ihre Gedanken langsam von Elm und wandten sich ihrem noch nicht identifizierten Opfer zu.
„Du bist ja ganz in Gedanken verloren.“
Taylor zuckte zusammen. Assistant District Attorney Page stand neben ihrem linken Ellbogen. Sie hatte sie nicht hereinkommen hören.
„ Verloren ist hier das Hauptwort. Wie geht es dir, Julia?“
„Ich bin neugierig, wieso du mich nicht gleich angerufen hast, nachdem du heute Morgen aufgewacht bist. Der Love-Hill-Fall? Du weißt doch, dass ich einen guten Serienmörder zum Frühstück durchaus zu schätzen weiß.“
„Jesus, sag nicht so was. Es laut auszusprechen machte es womöglich wahr.“ Taylor zeigte ihr die Liste, die sie gerade geschrieben hatte. „Ich habe mir ein paar Notizen gemacht, was heute an dem Fall zu tun ist. Du stehst quasi ganz oben, siehst du?“
„Gut. Dann bring mich doch einfach jetzt auf den neuesten Stand anstatt später.“
„Im Moment hab ich noch nicht viel. Wir haben ein paar Spuren, einige
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