Todessymphonie (German Edition)
nichts. Taylor schaute Bangor genauer an. Sie hätte nicht vermutet, dass er schwul war. Er war gut angezogen, ja, aber er war überhaupt nicht affektiert, hatte nichts Weibliches an sich. Das machte das Leben ein kleines bisschen unkomplizierter. Der Tatort schrie förmlich hetero, die typische Gewalt eines Mannes gegen eine Frau. Bangor war höchstwahrscheinlich nicht ihr Verdächtiger. Taylor hatte das schon von Anfang an gespürt, aber die biografischen Einzelheiten halfen ihr, diesen Eindruck zu untermauern.
Auf der kurzen Fahrt zum Love Hill unterhielt Bangor sie mit Geschichten von berühmten Schauspielern, die trotz gegenteiligem Auftreten schwul waren.
Als Taylor nach links auf den Love Circle einbog und der gewundenen Straße den Hügel hinauf folgte, war sie schockiert. Gestern Abend, in der Dunkelheit, hatte eine gewisse Romantik über der Gegend gelegen. Doch jetzt, im harten Licht des Tages, sah sie, wie heruntergekommen der Hill war. Müll sammelte sich auf den grasbewachsenen Flächen des Parks, ein Graffito auf einem Stromkasten war unbeholfen übermalt worden. Ein verrosteter Maschendrahtzaun war an einigen Stellen abgesackt und trug die Trittspuren betrunkener Jugendlicher. Das war nicht der Hill, an den sie sich erinnerte. Sie machte eine entsprechende Bemerkung zu Bangor.
„Ja, es ist schwer, die Landstreicher nachts vom Park fernzuhalten. Es ist so still hier, und es wird nicht sehr oft Streife gelaufen. Jedes Mal, wenn wir sie entfernen lassen, kommen sie wieder. Die Jugendlichen, die herkommen, sind auch nicht die nettesten Individuen. Ihretwegen und wegen des Einbruchs damals bin ich sehr froh über meine Alarmanlage.“
„Gestern Abend haben wir keine Meldung von ihrer Alarmanlage erhalten. Ist es möglich, dass Sie sie nicht angeschaltet haben, als Sie die Stadt verließen?“
„Nein, da bin ich ganz penibel. Aber es ist durchaus möglich, dass Miss Carol vergessen hat, sie wieder scharf zu schließen. Sie hat sich während meiner Abwesenheit um Sebastian gekümmert, und manchmal vergisst sie den Alarm. Das wäre nicht das erste Mal.“
Taylor warf McKenzie einen Blick zu. Das passte zur Aussage der Nachbarin. Wie günstig, dass der Alarm ausgeschaltet gewesen war. Sie fragte sich, ob der Mörder gewusst hatte, dass die Chancen dafür gutstanden, oder ob er darauf vorbereitet gewesen war, die Alarmanlage auszuschalten. Das würde für ein noch höheres Level an Intelligenz sprechen als sowieso schon. Und für eine engere Beziehung zu Hugh Bangor.
Im Tageslicht bildete Bangors Haus einen starken Kontrast zu seiner schmuddeligen Umgebung. Obwohl in der letzten Nacht unzählige Menschen über den Rasen getrampelt waren und ihre Spuren hinterlassen hatten, sah man, dass er außerordentlich gut gepflegt war.
Das Absperrband flatterte an der Veranda. Taylor band es von der Säule los und ließ Bangor und McKenzie eintreten. Drinnen spannte sich Bangor sofort an. Taylor beobachtete seine Reaktion mit größtem Interesse und fragte sich kurz, ob sie ein Problem bekommen würden. Aber Bangor schüttelte nur den Kopf und wandte sich mit erhobener Augenbraue zu ihr um.
„Hier fehlt etwas Größeres, oder? Was ist mit meiner Säule passiert?“
Taylor schaute McKenzie an. „Erzähl es ihm“, sagte sie.
„Das Opfer war mit einem Messer an die Säule geheftet worden. Wir mussten sie mitnehmen, um die Unverletzlichkeit des Wundtraktes sicherzustellen.“
„Mein Gott. Wer tut denn so etwas? Sie werden die Säule ersetzen, oder?“, fragte Bangor.
Taylor nickte. „Ich bin mir sicher, dass wir zu einer Einigung kommen werden. Zerstörung fremden Eigentums gehört nicht zu unseren eigentlichen Tätigkeiten. Aber letzte Nacht hatten wir keine andere Wahl.“
„Klingt logisch.“
Sie gingen zur Hintertür, wo Taylor ihm das herausgeschnittene Glasstück zeigte.
Bangor schnalzte mit der Zunge. „Das ist so … verstörend.“
Taylor berührte seinen Arm. „Ich weiß, es ist schwer. Halten Sie noch einen kleinen Augenblick durch.“
Während sie sprachen, gingen sie in die Küche.
„Sind Sie ein Fan von Dvořák ?“, fragte Taylor.
Er legte den Kopf schief. „Ehrlich gesagt nicht. Ich bin mehr ein Outlaw-Typ. Gute alte Countrymusic und so. Wussten Sie, dass John Rich das Haus am Ende der Straße gebaut hat? Er ist ein sehr netter Mann. Ich bin kein großer Fan seiner Musik, da steckt für mich ein bisschen zu viel Ego drin, aber er ist ein guter Nachbar. Seine Anwesenheit hat
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