Todessymphonie (German Edition)
versuchte.
12. KAPITEL
Die J. C. Napier Homes waren eines der schlimmsten Gettos von Nashville. Viele der Morde in der Stadt wurden hier begangen. Napier und sein Nachbarviertel, die Tony Sedekum Homes, waren für die Hälfte aller Verhaftungen im sozialen Wohnungsbau von Davidson County verantwortlich. Armut erzeugte noch größere Armut. Waffen gab es reichlich. Einige Morde und Übergriffe passierten unter Drogeneinfluss, die meisten jedoch aus purer Verzweiflung. Aber aus welchem Grund auch immer, das Resultat war, dass beinahe dreißig Prozent aller Morde in Nashville in den Napier Homes stattfanden.
Die Streifenpolizei war in diesen Gegenden mit dem Motorrad unterwegs. Es gab nur wenige Straßen, die sehr weit auseinanderlagen und nur in Längsrichtung verliefen. Es gab wenige bis keine Wege zwischen den Gebäuden und Innenhöfen. Auf Motorrädern hatten sie wenigstens eine kleine Chance. Aber es war ein gefährlicher Job. Die Einwohner hatten nicht viel Hoffnung. Auf Polizisten zu schießen war eine der Lieblingsfreizeitbeschäftigungen hier.
Taylor hatte ihr Fenster heruntergelassen; sie hörte die üblichen Buhrufe und Pfiffe. Der Geruch von brennendem Müll lag in der Luft; die Müllcontainer in Brand zu setzen war ein weiterer beliebter Zeitvertreib an warmen Sommerabenden. In diesen Siedlungen streiften Männer, Frauen und Kinder zu jeder Tag- und Nachtzeit ziellos umher, redeten miteinander, beobachteten, waren einfach da. Um ihren Caprice versammelte sich die übliche Meute; McKenzie wurde unter seinem blassen Teint noch blasser.
„Ignorier sie. Die spielen nur.“ Aber sie ließ das Fenster hochfahren.
„Das ist es nicht. Wie können Menschen nur so leben?“
Taylor schaute ihn an. „Meinst du, sie haben eine andere Wahl?“
„Ja. Sie könnten es versuchen. Sie könnten sich eine Arbeit suchen, anstatt Babys in die Welt zu setzen, um noch mehr Lebensmittelmarken zu bekommen, die sie gegen Bier eintauschen. Bist du je in einer ihrer Wohnungen gewesen? Die haben meist bessere Fernseher und Anlagen als jeder Yuppie. Wo kommt das Geld dafür her? Sicher nicht aus legalen Quellen. Und wenn sie genug haben, um ihre Wohnungen aufzupimpen, warum um alles in der Weltbleiben sie dann hier wohnen? Das habe ich noch nie verstanden.“
Was für eine Ansprache.
„Um ein fürchterliches Klischee zu bemühen, McKenzie, es ist nicht ganz so schwarz und weiß. Ich will auch, dass sie alle Arbeit finden, aufhören, Crack und Heroin zu nehmen, dieses Drecksloch hier aufräumen und anfangen, ein besseres Leben zu führen. Wenn man ihnen Auffahrten und hübsche Häuser gibt, sinken die Verbrechensraten. Sieh dir an, was die Stadtentwickler mit den Hope-IV-Geldern gemacht haben – John Henry Hale, Preston Taylor, Vine Hill, das sind jetzt alles saubere, sichere Orte. Es ist erstaunlich, was für einen Unterschied Architektur und bunte Farben machen können. Aber hier unten leben sie immer noch in dem Land, das von der Zeit vergessen wurde. Die Macht einiger weniger überschattet die Sehnsüchte der vielen. Sie haben Angst. Ihnen ist eingeimpft worden, niemandem zu trauen, der ihnen helfen will. Die Dealer und Zuhälter bedrohen die Frauen, vergewaltigen sie, zwingen sie zu diesem Leben. Sie terrorisieren die Kinder, beziehen sie in dieses Spiel mit ein, indem sie sie Drogen verkaufen lassen. Ich stimme dir zu, sie sollten hier weg wollen, und ich applaudiere jedem, der es versucht. Es ist traurig, aber es liegt nicht in unserer Hand. Alles, was wir tun können, ist das Gesetz so gut es geht durchzusetzen.“
Father Victors Chevy Lumina hielt hinter Taylors Caprice. Sie und McKenzie stiegen aus dem Auto und trafen den Kaplan am Kofferraum. Es war ein Grundsatz des Dezernats, dass alle Todesmitteilungen an Hinterbliebene in Begleitung eines Geistlichen überbracht wurden. Diese Regel wurde von allen dankbar angenommen; einen Geistlichen dabei zu haben, war oftmals sehr hilfreich.
„Bereit?“, fragte Taylor.
„So bereit, wie ich nur sein kann. Detective McKenzie? Ich bin Father Victor.“ Die beiden Männer schüttelten einander die Hände. Die blauen Augen des Kaplans blickten traurig, und Taylor fiel auf, dass seine Haare langsam grau wurden. Sein Vorgänger, Father Ross, war ihnen erst vor zwei Wochen von einer Diözese in Maine weggeschnappt worden. Father Victor war immer der Ersatzseelsorger gewesen. Aber Taylor kannte ihn durch sein Wirken in der Stadt. In der Erzdiözese war er seit Jahren eine
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