Todessymphonie (German Edition)
ertappt und errötete.
„Ernsthaft, Mann. Was ist los? Du verursachst mir Komplexe.“
„Kann ich dich etwas fragen?“
„Natürlich.“
„Deine Narbe. Stimmt die Geschichte? Darüber, wie du sie bekommen hast?“
Unbewusst fuhr Taylor sich mit der rechten Hand über die Kehle. Sie dachte nur noch selten an die Narbe, obwohl sie unübersehbar da war, sich erhaben über ihren Hals zog. Das Souvenir eines verrückten,verzweifelten Mannes. Zehn Zentimeter entweihtes Fleisch. Ein Millimeter mehr, und sie wäre heute nicht da.
„Was für eine Geschichte? Der Kerl war verzweifelt. Kleiner Tipp, geh nie zu nah an einen Verdächtigen heran, der ein Messer hat, McKenzie. Das wird kein gutes Ende nehmen.“
„Ich meine, dass du ihn getötet hast.“
Ah.
„Ich habe immer nur getötet, wenn ich keine andere Wahl hatte, McKenzie.“ Sie war selber überrascht von der Kälte in ihrer Stimme. Ruhig, tot, eiskalt. Die Atmosphäre im Wagen war mit einem Mal aufgeladen. McKenzie war sichtlich unwohl in seiner Haut, als er erkannte, dass er mit der Frage eine unsichtbare Linie überschritten hatte. Taylor wollte sich gerade entschuldigen, als der Sprechfunk sich meldete.
„Detective Jackson? Hier ist die Zentrale. 10-64, vielleicht 10-89, Ertrinken, Code Zwei, Radnor Lake. Bitte antworten Sie.“
Taylor stöhnte und stieß ein paar unterdrückte Flüche aus. Sie nickte McKenzie zu und nahm die letzte Ausfahrt nach Murfreesboro.
McKenzie nahm das Mikro. „10-4, Zentrale. Wir sind auf dem Weg. Wir befinden uns südlich von Murfreesboro: Es wird eine Weile dauern, bis wir dort eintreffen. Over.“
Taylor holte ihr Notizbuch aus der Tasche und reichte es McKenzie. „Ruf den Sheriff von Coffee County an. Er heißt Simmons. Sag ihm, dass wir in die Stadt zurückbeordert wurden und es uns leidtut, wir uns aber später bei ihm melden werden.“
Taylor war bereits wieder auf dem Highway, der in Richtung Norden führte. Sie schaltete die Sirene an und nutzte aus, dass alle anderen Wagen sich schleunigst aus dem Weg machten. Sie achtete nicht mehr auf die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Ein weiterer Mord. Am See. Die 10-89 war logisch, aber Code Zwei bedeutete, dass es dringend war. Sie musste annehmen, dass es sich um einen Mord handelte. Es war immer das Gleiche – Morde neigten dazu, geballt aufzutreten. Aber Radnor Lake – dorthin wurden sie nicht allzu oft gerufen. Sie fragte sich, was los war, gab sich dann aber vorerst damit zufrieden, das Gaspedal bis aufs Bodenblech durchzutreten.
Wenigstens war das Thema ihrer Narbe jetzt vergessen. Sie fühltesich mit McKenzie noch nicht wohl genug, um über den Horror zu sprechen, der sie erfüllt hatte, als sie ihr eigenes Blut über ihre Brust hatte rinnen sehen. Dieser wahnsinnige Augenblick totaler Klarheit zwischen dem Schnitt und dem Schmerz. Sie wusste, dass sie tot war. Sie hätte auch tot sein sollen. Sie hatte verdammtes Glück gehabt, dass Baldwin dort gewesen war. Seine medizinische Ausbildung rettete ihr das Leben. Es war nie verkehrt, während der Verbrecherjagd einen Arzt an seiner Seite zu haben.
Sie schob die Gedanken beiseite. Es hatte keinen Sinn, weiter darüber nachzudenken.
Bereits nach zwanzig Minuten waren sie wieder in Davidson County. Sie nahmen die Ausfahrt Bell Road und rasten über die Old Hickory nach Granny White. Innerhalb weniger Minuten erreichten sie das schicke Viertel am See und bogen rechts auf den Otter Creek ab. Der Eingang zum Park lag eine halbe Meile die Straße hinauf. Eichen streckten ihre dicht belaubten grünen Arme über die Straße. Drei rote Pfosten hielten Autos davon ab, in das Naturschutzgebiet hineinzufahren. Zur linken Seite gab es einen Parkplatz, auf dem Taylor sich nun zu den weiteren Officers gesellte, die auf den Einsatz reagiert hatten.
Auf dem Platz standen einige Streifenwagen mit abgeschalteten Blaulichtern, was seltsam war. Tim Davis’ Van von der Spurensicherung parkte direkt am Anfang des Wanderweges.
Taylor und McKenzie stiegen aus. Taylor war überrascht von der grünen Schönheit der Umgebung und der absoluten Stille. Sie konnte kaum glauben, dass sie gerade mal zehn Meilen von Downtown Nashville entfernt waren.
Paula Simari stand gemeinsam mit einem blonden, sehr blassen weiblichen Parkranger neben ihrem Wagen. Max saß auf dem Rücksitz und drückte sich die Nase an der Scheibe platt.
Das Namensschild der Wildhüterin wies sie als R. Kilkowski aus. Eine braune Kunststoffbrille mit ovalen Gläsern
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