Todessymphonie (German Edition)
ruhte auf ihrer unglaublich kleinen Nase. Als Taylor der Frau die Hand schüttelte, merkte sie, dass sie zitterte.
„Simari. Ma’am. Was ist passiert? Wieso kein Blaulicht?“
„Das stört die Tiere“, sagte die Wildhüterin. „Letzte Woche hatten wir drei Weißkopfadler, zwei Junge und einen Erwachsenen, im Park. Wir haben alle anderen Aktivitäten unterbrochen, weil wirhofften, dass sie hier nisten würden. Officer Simari war so freundlich, mir zuzustimmen, dass wir versuchen sollten, so wenig Trubel wie möglich zu veranstalten.“
Taylor hob eine Augenbraue, sagte aber nichts. Sie wusste, wie tödlich ernst man am Radnor Lake die Anstrengungen zum Naturschutz nahm. Es war der einzige geschützte Lebensraum für Tiere in der Nähe einer großen Stadt im ganzen Land. Radnor Lake war ein gut 480 Hektar großes Naturschutzgebiet mit einem unberührten See, vielen wild lebenden Tieren und einigen Wanderwegen. Weder Fahrrad fahren noch Picknicks waren erlaubt. Das fragile Ökosystem brauchte Sauberkeit, Stille und Ruhe. Dieser Vorfall würde für einigen Wirbel sorgen, so viel stand jetzt schon fest.
Die „Freunde“ des Radnor Lakes waren ein Auszug aus dem Who’s Who von Nashvilles Elite. Sie hatten viel Geld in die Erhaltung des Gebiets gesteckt. Der See war 1913 als Wasserreservoir und Jagdrevier für die L&N Railroad Company angelegt worden und hatte sich inzwischen zu einem aus privaten Mitteln finanzierten Naturreservat entwickelt. Taylor wusste, dass eine Leiche nicht sonderlich hoch auf dem Wunschzettel des Vorstands stehen würde.
Simari begrüßte McKenzie und tippte Taylor dann auf die Schulter. „Ich bin froh, dass du so schnell herkommen konntest. Du musst das selber sehen. Ich finde, es weist einige Ähnlichkeiten mit dem Love-Hill-Fall auf. Das Opfer ist weiblich, schwarz und unglaublich dünn.“
Taylor spürte, wie die ersten Spuren von Adrenalin durch ihren Körper rauschten. Sie hatte angenommen, es würde sich um einen ganz normalen Mord handeln. Wenn es so etwas überhaupt gab.
„Ertrunken?“
„Ich weiß nicht. Du musst es dir einfach anschauen. Ich will dich nicht beeinflussen.“ Simari nickte der Rangerin zu. „Gehen Sie bitte voran.“
„Muss ich?“ Kilkowskis Stimme zitterte. Ihre Augen hinter den Brillengläsern glänzten feucht.
Taylor beruhigte sie. „Machen Sie sich keine Sorgen. Sie müssen nicht hinschauen. Bringen Sie uns einfach auf den richtigen Weg.“ Das Mädchen nickte und fing an, den Weg entlangzugehen, der sich vom Parkplatz hügelaufwärts schlängelte. Sie bewegte sich steif wie eine Marionette. Taylor, McKenzie und Simari folgten ihr.
Simari warf Taylor einen Blick zu. „Es ist verdammt ruhig hier draußen. Ich bin überrascht, dass so etwas nicht öfter passiert. Nachts ist der Park geschlossen, da kommt hier niemand vorbei.“
„Gibt es eine Videoüberwachung?“, wollte Taylor wissen.
„Ja. Sie ziehen uns eine Kopie. Aber die Wachen haben nichts Verdächtiges gesehen, weder auf dem Band noch bei ihrem Rundgang. Wir müssen die Aufzeichnungen Bild für Bild durchgehen. Es gibt keine Kameras, die diesen Platz aufnehmen. Entweder er war sehr clever oder hat verdammtes Glück gehabt.“
„Oder er kennt den Park“, merkte McKenzie an.
Sie gingen ungefähr fünfzig Meter den Pfad hinauf, der, wie Taylor wusste, zum Damm führte. Sie schreckten eine Schar Krähen auf, die sich lautstark in die Lüfte erhoben und sich dann auf den Ästen der Bäume zu beiden Seiten des Weges niederließen und ihren Unmut weiter kundtaten. Mit ihren wachen schwarzen Augen beobachteten sie die vier Menschen genau. Taylor war kein großer Freund von Krähen. Sie hatte das Gefühl, die Tiere könnten ihre Gedanken lesen und nahmen sich vor ihr in Acht.
Sie hörte ein Krachen im Unterholz, bei dem alle zusammenzuckten und dann nervös lachten. Etwas Weißes blitzte durch die Zweige auf; Taylor nahm an, ein Reh. Ihr Herz brauchte einen Moment, bevor es zu seinem normalen Rhythmus zurückfand. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, sie wartete nur darauf, dass ihr etwas Ungewöhnliches ins Auge sprang.
Neben dem Pfad, den sie jetzt entlanggingen, floss ein kleiner Bach. Er führte viel Wasser und floss friedlich dahin. Die Regenfälle der letzten Wochen hatten die Wasserstände ordentlich in die Höhe getrieben. Taylor schaute sich am Ufer um und sah eine Schlange, die gerade mit erhobenem Kopf ins Wasser glitt. Vermutlich eine Wassermokassinotter. Während sie
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