Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todeswald

Todeswald

Titel: Todeswald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ritta Jacobsson
Vom Netzwerk:
schwerelos durch eine Mondlandschaft.“
    „Aha.“
    „Sollte ein Witz sein. Keine Ahnung, ob sie ein Video gemacht haben.“
    „Aber wie sehen sie denn aus?“
    „Zwei Arme und zwei Beine und je ein Kopf, nehme ich an.“
    Schon kapiert. Einfach zuhören, die Musik sprechen lassen.
    Der nächste Song handelte vom Partyfeiern. Linus und ich feierten unsere Zweimannparty weiter.
    Ich setzte mich aufs Sofa und er setzte sich neben mich, so nah, dass sein Knie meins berührte. Zuerst wollte ich wegrücken, ließ es aber doch lieber bleiben. Das war vielleicht ein Zeichen, dass wir zusammengehörten.
    Zumindest fasste ich es so auf.
    Bald fühlte ich mich sicherer.
    Linus streckte sich, dann legte er den Arm auf die Rückenlehne. Seine Finger reichten genau bis zu meinen Haaren. Vorsichtig begann er daran herumzuspielen.
    Ich saß unbequem, wagte aber nicht, meine Haltung zu ändern. Eine einzige kleine Bewegung und schon könnte er glauben, ich hätte etwas dagegen, dass er mich berührte.
    Sein Knie an meinem, seine Finger, die mit meinem Haar spielten. Er brauchte mich bloß mit den Fingerspitzen zu streifen und schon durchzuckte es mich wie ein Stromstoß. Alle Sorgen waren in weite Ferne gerückt.
    „Wie weich dein Haar sich anfühlt“, sagte er. „Sieht hübsch aus!“
    Meine dünnen Strähnen!
    „ Du bist hübsch“, fuhr er fort.
    Allmählich kam mir der Verdacht, dass er einen Anfall erlitten hatte und nicht mehr klar sehen konnte. Gleichzeitig sagte ich mir, eigentlich müsste ich jetzt wohl auch irgendwas unternehmen, anstatt bloß wie ein Kartoffelsack dazuhocken.
    Was Jungs betraf, waren meine Erfahrungen mit Körperkontakten bisher eher begrenzt. Mit meinem Cousin Anders hatte ich zwar Ringkämpfe gemacht, aber in puncto Romantik hatte ich zuletzt Ahmed im Kindergarten umarmt. Das war also einige Zeit her.
    Ich sah Linus verstohlen an. Irgendwie wollte ich zeigen, dass ich ihn süß fand. Sollte ich näher an ihn ran rücken, meinen Kopf an seine Brust lehnen, mein Gesicht in seinen Hals bohren? Das hatte ich in einem Film gesehen, es hatte einen sehr gemütlichen Eindruck gemacht.
    Aber so, wie ich dasaß, würde das nie klappen.
    Ich änderte die Haltung, um meinen Arm auszustrecken.
    Da ertönte ein Signal aus Linus’ Tasche, das gleiche Gitarrensolo, das ich soeben auf der CD gehört hatte, die ihm so gut gefiel.
    Linus beugte sich zu mir vor, um sein Handy aus der Tasche zu angeln.
    Und im selben Moment knallte meine Hand mit einer geraden Rechten an seine Stirn.
    „Au!“
    Er warf mir einen gekränkten Blick zu, während er ins Handy sprach:
    „Nein, nein, ich hab bloß gerade eine … Egal, nichts. Was läuft? Wo bist du? Ich ruf zurück!“
    Er hatte ein cooles Handy, königsblau mit chinesischen Zeichen. So eins hatte ich noch nie gesehen, vermutlich hatte sein Vater ihm das von einer seiner Reisen mitgebracht.
    Er drückte die Aus-Taste und rieb sich die Stirn. Besorgt musterte ich das Gesicht, das mir immer besser gefiel, je länger ich es ansah, sogar mit dem neuen, grellrot leuchtenden Fleck.
    Mir war klar, dass ich soeben die Romantik für diesmal k. o. geschlagen hatte.
    Natürlich hatte ich das nicht mit Absicht getan. Aber seiner starren Miene nach zu urteilen, glaubte er genau das.
    Ich erhob mich, murmelte „danke, bis bald“ und zog betreten davon.
    Mit jedem Schritt, den ich machte, wollte ich kehrtmachen, zurückgehen und ihm alles erklären. Wenn sein verflixtes Handy nicht geklingelt hätte, wäre alles gut gewesen. Ich hätte immer noch auf dem Sofa gesessen, neben ihm.
    Hätte hübsches Haar gehabt. Wäre hübsch gewesen.
    Wäre nicht mein altes, schussliges Ich gewesen.
    Ich drehte mich nicht um.

KAPITEL 31
    In düstere Gedanken versunken trottete ich heimwärts. Ich hatte meine Chance gehabt und sie versiebt. So eine Pleite!
    Ich ging die Situation immer wieder von Neuem durch und tat mir selbst schrecklich leid.
    Ungefähr eine Minute lang.
    Dann begegnete ich Mikaelas Mutter.
    Plötzlich waren meine Sorgen nicht viel schlimmer als ein Niesen.
    Ich hatte sie nicht mehr gesehen, seit Mikaela gefunden worden war, und erkannte sie zuerst kaum wieder. Sie hatte mehrere Kilo abgenommen und ihre blonden Haare hatten dunkle Wurzeln.
    Ich war total unvorbereitet, aber irgendetwas musste ich ja sagen.
    „Mein … herzliches … Beileid. Es tut mir wirklich leid …“
    Klar tat es mir leid!
    Und Mikaelas Mutter erst!
    Ich verstummte. Was ich auch sagte, kam mir falsch

Weitere Kostenlose Bücher