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Todeswatt

Todeswatt

Titel: Todeswatt Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ausflüge und gar einen Urlaub hatte es zuletzt – sie musste angestrengt nachdenken – vor der Geburt ihrer jüngsten Tochter gegeben. Die war mittlerweile fast sechs und kam diesen Sommer in die Schule.
    Seit deren Zeugung hatten Inken und Sönke auch nicht mehr miteinander geschlafen. Obwohl sie sich oft nach seiner körperlichen Nähe sehnte. Trotzdem kam es nie zu mehr Zärtlichkeiten zwischen ihnen als einem flüchtigen Kuss oder einem kurzen Streicheln über die Wange. Sie fragte sich oft, ob ihm das reichte und kam stets zur gleichen Antwort: Mit Sicherheit nicht. Er war ein attraktiver Mann von Anfang 40, mit durchtrainiertem Körper und vollem Haar.
    Sie stand auf und ging ins Bad. Die Kinder hatten wie immer beim abendlichen Zubettgehen ein Schlachtfeld hinterlassen. Überall lagen verstreut Klamotten auf dem Fußboden, das Waschbecken war mit Zahnpasta verschmiert, die Seife in den Ausguss gerutscht. Sie ignorierte die Unordnung und sah in den Spiegel. Warum fand ihr Mann keinen Gefallen mehr an ihr? Sie hatte alles Mögliche probiert, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Wochenlang strengste Diät gehalten, morgens und abends ihren Po und Oberschenkel mit Anti-Cellulitiscreme bearbeitet, teures Make-up verwendet. Sönke war es nicht einmal aufgefallen. Jedenfalls hatte er kein Wort darüber verloren und auch das seidene rote Nachthemd, mit dem sie sich verführerisch auf dem Ehebett drapierte, zeigte bei ihm keinerlei Wirkung. Wie gewohnt hatte er sich neben sie gelegt, ein knappes ›Gute Nacht‹ gemurmelt und das Licht ausgeschaltet.
    Was konnte sie noch tun? Sie servierte sich ihm ja quasi auf dem Silbertablett. Laut seufzend griff sie zu der Bürste neben dem Waschbecken und fuhr sich langsam durch ihr langes Haar. Vielleicht sollte ich mal wieder zum Friseur gehen, überlegte sie und beugte sich leicht nach vorn. Ihre Naturfarbe schimmerte wieder durch und mit ihr auch die ersten grauen Strähnen. Sie wurde alt. Alt und grau.
    Früher hatte sie sich über ihr Aussehen wenig Gedanken gemacht. Da existierte allerdings auch noch nicht diese Distanz zwischen ihnen. Mindestens dreimal in der Woche hatten sie Sex miteinander gehabt. Manchmal sogar öfter. Mittlerweile lebten sie wie Bruder und Schwester nebeneinander her und Inken wusste nicht, was sie noch tun konnte, um das zu ändern.
    »Du musst mit ihm reden«, hatte ihre Freundin geraten, als sie im Vertrauen über die Eheprobleme sprachen.
    Ja, reden, aber das war leichter gesagt als getan. Wie sollte sie Sönke darauf ansprechen? Und was, wenn doch eine andere Frau dahintersteckte?
    »Dann hast du wenigstens Gewissheit«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild.
    Inken legte die Bürste zur Seite und straffte die Schultern. Ihre Freundin hatte recht, es gab keinen anderen Weg herauszufinden, was genau zwischen ihnen stand. Sie musste Sönke zur Rede stellen.

     
    *

     
    »Wenn ich es dir doch sage!« Tom dämpfte seine Stimme und presste die Sprechmuschel des Telefonhörers noch dichter an seinen Mund. Marlene sollte von seinem Gespräch mit Haie möglichst nichts mitbekommen. Er wollte sie nicht unnötig aufregen.
    »Arne Lorenzen ist tatsächlich umgebracht worden und Thamsen vermutet den Täter unter den Geschädigten.« Ganz so hatte der Kommissar es zwar nicht ausgedrückt, aber Tom schlussfolgerte das aus den wenigen vagen Bemerkungen, die Thamsen bezüglich der in der Wohnung des Toten gefundenen Unterlagen gemacht hatte.
    »Hast du ihm von Sönke erzählt?« Haie flüsterte nun ebenfalls.
    »Nicht direkt.« Tom musste sich aufgrund des Beratervertrages an die Schweigepflicht halten. Daher hatte er nur von einem Klienten gesprochen und keinen Namen genannt. Allein die Äußerung seines Verdachts und die Erklärung des Motivs seines Kunden verstießen wahrscheinlich bereits gegen die schriftlichen Abmachungen, aber Tom war sich nicht sicher, ob die Schweigepflicht auch in Bezug auf ein mögliches Verbrechen galt.
    »Hast du Sönke denn gefragt, wo er in den letzten Tagen gewesen ist?«
    »Nee.«
    Tom hatte von dem Mord an Arne Lorenzen nichts gewusst, als er den Spediteur besucht hatte. Jedenfalls nichts Konkretes. Auf Spekulationen wollte er sich nicht verlassen und letztendlich war die Lösung des Mordfalls nicht seine Aufgabe. Wie also hätte er neugierige Fragen erklären sollen? Der Unternehmer hatte ihn engagiert, damit er die Firma vor dem Ruin rettete und nicht, um ihn in seinen Privatangelegenheiten herumschnüffeln zu lassen. Obwohl ihn

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