Todeswatt
und einem schlechten Bauchgefühl hatten sie nichts gegen ihn in der Hand.
»Aber Haie hat doch noch gar keinen Feierabend«, warf sie ein.
Das war bisher nie ein Problem gewesen. Haie konnte sich seine Zeit relativ frei einteilen. Und wenn es um neue Spuren in dem Mordfall ging, hatte er bestimmt die Möglichkeit, früher Schluss zu machen. Tom sah darin kein Hindernis.
»Komm, lass uns fahren.«
*
Thamsen saß in seinem Büro und trommelte nervös mit den Fingern auf der Schreibtischplatte herum. Wann rief Funke denn endlich an? Die 24 Stunden waren bald um und ohne Beweise oder eine Aussage würde er Matthiesen wieder laufen lassen müssen, obwohl er mittlerweile nicht mehr ausnahmslos von der Schuld des Spediteurs überzeugt war. Vielleicht gab es auch eine Verbindung zu dem Entdecker der Leiche. Funkes Nachfrage hatte ihn stutzig gemacht. Er war sich bezüglich der weiteren Vorgehensweise plötzlich unsicher. Am liebsten wäre er selbst nach Pellworm gefahren, um die Zeugin zu befragen. Der Kollege auf der Insel war zwar bemüht, aber in solchen Sachen hatte er einfach keine Erfahrung. Wenn Funke das Verhör falsch anging, verspielte er womöglich die Chance auf ein schnelles Geständnis oder andere wichtige Hinweise.
Endlich klingelte das Telefon. Thamsen riss den Hörer nach dem ersten Läuten von der Gabel. »Und?«, fragte er ungeduldig und wartete auf den Bericht.
»Die Gesuchte ist tatsächlich die Ehefrau des Mannes, der die Leiche gefunden hat«, erzählte Björn Funke beinahe atemlos. Er war nach der Befragung so schnell es ging zur Dienststelle zurückgefahren. Sie beteuere jedoch, Sönke Matthiesen sei am Dienstag nur kurz auf der Insel gewesen und davor mindestens zwei Wochen nicht. Außerdem schwöre sie, er habe mit dem Mord nichts zu tun.
»Und woran macht sie das fest?« Natürlich hatte Thamsen damit gerechnet, die Geliebte könne die Angaben des Verdächtigen bestätigen und damit den Unternehmer entlasten. Umso mehr interessierte ihn daher, mit welcher Begründung sie Sönke Matthiesens angebliche Unschuld untermauerte.
Aber Funke ging auf seine Frage gar nicht ein. Aufgeregt berichtete er stattdessen von dem auffälligen Verhalten des Ehemannes und seinem Verdacht, Jens Bendixen könne etwas mit dem Mord zu tun haben.
»Wahrscheinlich hat er von der Affäre gewusst, oder was sollte die Andeutung sonst bedeuten, er und seine Frau hätten keine Geheimnisse voreinander«, argumentierte der Kollege am anderen Ende der Leitung. Außerdem besäße er ein Boot. Gleich draußen im Hafen.
»Aber warum sollte er Arne Lorenzen und nicht seinen Nebenbuhler umgebracht haben?« Thamsen zweifelte sehr an Funkes Mutmaßungen.
Doch der hatte bereits eine Theorie parat: »Na, weil er ihn verwechselt hat.«
*
Haie war reichlich erstaunt, als die beiden Freunde plötzlich vor ihm auf dem Schulhof standen. Nachdem sie ihm allerdings von den Neuigkeiten berichtet hatten, stellte er sofort seinen Besen zur Seite und holte seine Sachen. »Ich war ohnehin so gut wie fertig. Den Rest kann ich auch morgen erledigen.«
Sie fuhren über die B 5 nach Husum und parkten in der Nähe vom Wasserturm. Laut der Adresse aus dem Telefonbuch wohnte Petersen direkt in der Innenstadt, wo sie wahrscheinlich um diese Uhrzeit keinen Parkplatz gefunden hätten.
Im Schlosspark sprossen bereits die ersten Krokusse. In wenigen Tagen würde ihr lila Blütenteppich die gesamte Grünanlage bedecken und Tausende von Menschen anlocken.
»Mensch, wie schön das immer aussieht«, schwärmte Haie, während sie den Park durchquerten. »Gut, dass man früher gedacht hat, man könne Safran aus den Blütennarben gewinnen.«
Marlene nickte. »Manchmal stellt sich Unwissenheit eben als ein Segen heraus.«
»Wie meint ihr das?« Tom konnte dem Gespräch der beiden nicht recht folgen.
»Is’ doch jetzt egal«, wiegelte Marlene seine Frage ein wenig schroff ab. Ihr stand aufgrund des bevorstehenden Besuches bei dem Reporter nicht der Sinn nach ausschweifenden Erklärungen über die Herkunft der Krokusblüten.
Die Wohnung, in der der freie Mitarbeiter der Zeitung lebte, befand sich in einem jener typischen alten Handwerkerhäuschen mit Lukengiebel. Neben der reich verzierten Eingangstür war ein messingfarbenes Klingelschild angebracht.
»Moment mal«, flüsterte Tom, ehe Haie mit seinem Finger auf den kleinen runden Knopf drücken konnte, »was sagen wir denn?«
Darüber hatten sie sich bisher keinerlei Gedanken
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