Todeswatt
gemacht. Sie waren überstürzt aufgebrochen, und hatten in ihrem Aktionismus gar nicht überlegt, wie sie vorgehen wollten.
»Am besten, Marlene geht allein«, schlug Haie vor und meinte, sie könne sich ja als Freundin von Arne Lorenzen ausgeben.
»Und wenn er die gekannt hat?«, gab Marlene zu bedenken. Man wüsste ja nicht, wie nahe der Reporter und der Banker sich gestanden hatten.
»Dann sagst du einfach, du seist nicht die aktuelle, sondern eine Exfreundin«, schaffte Haie das Problem aus der Welt.
Marlene wartete, bis die beiden Männer sich hinter der nächsten Häuserecke versteckt hatten, ehe sie klingelte. Ihr war nicht ganz wohl bei der Sache, immerhin wussten sie nicht, wer sich hinter dem Verfasser des seltsamen Nachrufes verbarg. Doch als im Inneren des Hauses das schrille Läuten der Türglocke erklang, gab es kein Zurück mehr.
Im ersten Stock wurde ein Fenster geöffnet und ein junger Mann mit dunklem Strubbelkopf lugte heraus. »Ja?«
Marlene legte den Kopf in den Nacken und versuchte, ihren unschuldigsten aller Blicke in die Höhe zu schicken. »Herr Petersen?«
Der Dunkelhaarige nickte.
»Ich müsste mit Ihnen sprechen. Wegen Arne. Würden Sie mich bitte reinlassen?« Sie schwang gekonnt ihr langes blondes Haar zur Seite und schenkte dem jungen Mann ein bezauberndes Lächeln.
Natürlich verfehlte ihr Einsatz nicht seine Wirkung. Marlene war eine attraktive Frau, die es verstand, ihre Reize gezielt einzusetzen. Kaum eine Minute später erschien Marcel Petersen in der Tür und lächelte sie freundlich an.
Marlene schätzte ihn auf Ende 20. Eigentlich sah er ganz nett aus, hatte sein Äußeres aber etwas vernachlässigt. Er hatte einen ungepflegten Bart und seine Kleidung wirkte schmuddelig und zerknittert.
Als Petersen Marlene mit einer einladenden Geste ins Haus bat, beschlich Tom plötzlich das Gefühl, einen Fehler begangen zu haben. Nervös beobachtete er den Eingang, in dem seine Freundin gerade mit dem Zeitungsmitarbeiter verschwand und stellte sich die Frage, ob Marlene sich nicht in Gefahr begab. Sie wussten rein gar nichts über diesen Marcel Petersen. Was, wenn er tatsächlich der Mörder war? Er schluckte. »Wenn sie in zehn Minuten nicht wieder draußen ist, klingeln wir«, flüsterte er Haie zu.
16. Kapitel
»Warum hast du den Verdächtigen laufen lassen?« Die Stimme des Flensburger Kollegen, die ihm lautstark aus dem Hörer entgegendröhnte, wirkte mehr als ungehalten.
Thamsen hatte den Beamten angerufen, um ihn über den Stand der Ermittlungen zu informieren. »Weil es keine hinreichenden Beweise gibt, um den Mann länger festzuhalten«, knurrte er.
»Lasst ihr ihn wenigstens beschatten?«
Dirk Thamsen hätte am liebsten laut losgelacht. Beschatten? Wie denn? Wer denn?
Er stellte nochmals die Sachlage dar. Die Kriminalisten bequemten sich ja noch nicht einmal hierher. Wie wollten sie also die Lage beurteilen? Außerdem war er es leid, dass man ihm vorschrieb, wie er seine Arbeit zu erledigen hatte, die eigentlich nicht einmal seine war. Schließlich fielen Mordfälle in den Aufgabenbereich der Kripo.
»Wie sieht es denn bei euch aus? Wann könnt ihr den Fall übernehmen?«
Die Flensburger Polizei war angeblich immer noch zu sehr mit der Verfolgung des Serienmörders beschäftigt. Erst vor zwei Tagen habe man wieder ein Opfer aufgefunden. »Kein schöner Anblick, Dirk, wenn du jemanden vor dir liegen siehst, dessen Schädel mit einem Hammer zertrümmert wurde.«
Thamsen wollte sich mit den Gewalttaten dieses Monsters nicht weiter auseinandersetzen und und kündigte deshalb an, sich weiter mit der Liste der Geldanleger zu beschäftigen. Diese war mittlerweile ziemlich angewachsen und eigentlich verspürte er wenig Lust, mit der Abarbeitung zu beginnen, zumal er befürchtete, sich endlose Schimpftiraden auf den betrügerischen Berater und die massiven Geldverluste anhören zu müssen. Aber was blieb ihm sonst anderes übrig? Andere Anhaltspunkte gab es nicht.
Erst einmal war es jedoch Zeit für einen Kaffee. Als er mit der dampfenden Tasse aus der Gemeinschaftsküche in sein Büro zurückkehrte, zog er die kleine runde Holzuhr auf seinem Schreibtisch zu Rate. Viel zu spät, um heute noch mit den Befragungen zu beginnen, redete er sich ein. Außerdem musste er sich erst eine genaue Taktik zurechtlegen.
Er nahm einen Block und einen Kugelschreiber aus der silberfarbenen Dose, die ihm als Stifthalter diente. Doch anstatt sich Notizen zu einer möglichen Fragetechnik
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