Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me
Beziehung zu unterbinden, weil Sienna erst dreizehn war, aber sie hat sich weiter heimlich mit ihm getroffen. Man kann sie ja schließlich nicht einsperren, oder? Obwohl ich es mir manchmal wünschte.«
»Wie hat Sienna ihn kennengelernt?«
»Danny ist mit meinem Sohn Lance zur Schule gegangen.«
»Wohnt er in der Gegend?«
»Irgendwo in Bath. Seine Mutter arbeitet als Fremdenführerin. «
DCI Cray drückt das Kinn an die Brust und wählt ihre Worte
mit Bedacht. »Wissen Sie, wann Sienna gestern Abend nach Hause gekommen ist?«
Helen schüttelt den Kopf.
»Und Sie haben Ihren Mann nicht zurückerwartet?«
»Nicht vor Freitag.«
Es entsteht eine Pause. Ich beobachte Helens Körpersprache, suche nach Zeichen, die sie verraten könnten. Sie wirkt schüchtern und schmucklos, eine hart arbeitende Frau, zurückgezogen und bescheiden. In ihrer Jugend muss sie eine Schönheit gewesen sein, aber Schlafmangel und schlechte Essgewohnheiten haben die Uhr vorgedreht.
Ich habe sie ein paarmal durchs Dorf laufen sehen, in Kleidern, die auch vor zwanzig Jahren hätten gekauft sein können. Sie erinnerte mich an eine Fabrikarbeiterin während des Krieges, als Frauen Männerjobs übernahmen und Latzhosen und weite Strickjacken trugen. Sie wirkte in etwa so sexy wie eine ältere Schwester, aber sie ging ihren Erledigungen mit einer stillen Ergebenheit nach.
»Wer wusste, dass Ihr Mann gestern Abend zurückkommen wollte?«, fragt Cray.
Helen zuckt die Achseln.
»Sienna?«
»Ich glaube nicht.«
»Wie haben sich die beiden verstanden – Ray und Sienna?«
»Gut. Natürlich gab es Reibungspunkte.«
» Reibungspunkte?«
Helen fasst den Ärmel ihrer Strickjacke mit der Faust. »Man versucht, Grenzen zu setzen. Und Kinder versuchen, sie zu überschreiten.«
»Hat Ihr Mann Sienna je in einer unziemlichen Weise berührt ? Hat er Ihnen diesbezüglich je Anlass zur Besorgnis gegeben ?«
Helens Miene spiegelt erst Sorge, dann Verblüffung und schließlich Empörung.
»Nicht mein Ray! So etwas würde er nie tun.«
Sie kneift das Gesicht zusammen.
»Wie können Sie es wagen anzudeuten … wie können Sie glauben … Er hasste Kinderschänder. Er hat sie weggesperrt.«
Cray legt ihre Hand auf Helens. »Es tut mir leid. Ich musste das fragen.«
Ich weiß genau, was DCI Cray gerade getan hat. Sienna steht unter dringendem Tatverdacht und muss erst noch befragt werden. Doch mit einer einfachen Frage hat Cray ihre mögliche Verteidigung – sexueller Missbrauch – unterminiert. Vielleicht wird Helen ihre Meinung später ändern, aber dann wird ihre Aussage nicht mehr dasselbe Gewicht haben. Ihre Darstellung wird von der Anklage letztlich zerpflückt und als unglaubwürdig dargestellt werden.
Cray fragt leise weiter, ob Ray Hegarty irgendwelche Feinde hatte. Hatte er Streit mit irgendwem? Hatte er Geldsorgen?
»Sie verstehen doch, dass wir Sienna vernehmen müssen?«
Helens Blick gleitet an mir vorbei zu dem Krankenzimmer.
»Sie können dabei sein oder jemanden bitten – einen anderen Erwachsenen –, für sie zugegen zu sein. Jemanden wie Professor O’Loughlin.«
»Meine Sienna war es nicht … sie würde nie …«
»Detective Sergeant Abbott fährt Sie zum Flax Bourton Coroner’s Court. Irgendjemand muss Rays Leiche offiziell identifizieren. Können Sie das für mich machen? Ich könnte auch eins der Kinder fragen?«
»Nein, ich mache das.«
Monk tritt vor und hebt Helens Handtasche vom Boden auf.
Am anderen Ende des Flurs gibt es einen Tumult, schwere Schritte und Schreie. Lance Hegarty stößt eine junge Krankenschwester beiseite, die versucht, ihn zu bremsen. Er trägt eine abgewetzte Lederjacke und Jeans voller Schmierflecken; sein Haar ist zu kurzen Stoppeln rasiert, die auf der blassen Kopfhaut aussehen wie eine Kappe.
Monk stellt sich ihm in den Weg, legt einen Arm um seine Brust und hebt ihn hoch.
»Nimm deine Hände weg, du schwarze Sau!«
»Lassen Sie ihn runter«, ruft Helen.
Monk und Cray wechseln einen Blick, der mehr sagt als Worte.
Der Detective Sergeant lässt den Jungen los. Der umarmt seine Mutter und streicht mit tätowierten Händen über ihr Haar. Dann sieht er Cray herausfordernd an.
»Was ist mit Sienna passiert? Hat irgendjemand ihr wehgetan ? Wer war es?«
DCI Cray legt eine Hand auf seine Schulter. »Ihr Vater ist tot. Mein Beileid.«
»Es tut Ihnen leid?«
»Er war ein guter Mann.«
»Er war ein verdammtes Monster!«
Die Worte scheinen in dem engen Flur zu explodieren. Helen
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