Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me
Erinnerungen trennen. Wenn ich weiterbohre, riskiere ich ein schweres Trauma.
Der Mörder von Ray Hegarty war noch im Haus, als Sienna heimgekommen ist. Die Spurensicherung hat Blut im Abflussrohr des Waschbeckens gefunden. Der Mörder hat sauber gemacht, die Klinge abgewischt.
Ein Eindringling? Ein aus dem Ruder gelaufener Einbruch? Es gab keine Spuren eines gewaltsamen Eindringens, aber Siennas Laptop fehlt. Weit teurere Gegenstände blieben unangerührt.
Ray Hegarty wurde erst am Freitag zu Hause zurückerwartet. Helen Hegarty hat nachts gearbeitet. Sienna hat die meisten Abende allein zu Hause verbracht. Wer immer Ray Hegarty getötet hat, hat im Haus gewartet.
Auf wen?
16
Mit dem Wagen braucht man gut zwei Stunden nach London. Ich breche nach der morgendlichen Stoßzeit auf und biege kurz vor Mittag in eine Nebenstraße der Fullham Palace Road, wo ich von einer Parkuhr erpresst werde.
Ich gehe zurück zur Hauptstraße und vorbei an leeren Läden und »Zu vermieten«-Schildern auf die hallenden Schatten der Autobahnüberführung von Hammersmith zu. London blutet. Es ist wie ein Virus, der sich von oben nach unten verbreitet. Kein Job ist mehr sicher. Kein Hypothekenzins mehr erschwinglich.
In den vergangenen zwei Jahren hat London sich verändert. Die Menschen haben sich verändert. Ich dachte, nur ein gewalttätiges Ereignis könnte diese Stadt derart erschüttern – etwas wie die Bombenanschläge vom 7. Juli, unsere Variante des 11. Septembers –, aber am Ende war es etwas anderes: ein Finanzkollaps, eine Bankenkrise, ausgelöst von armen Menschen am anderen Ende der Welt, die ihre Darlehen nicht abzahlen konnten.
Als ich in die Nähe der Themse komme, kann ich die Schlammbänke und das Salzwasser riechen. Ich besuche einen Freund – Vincent Ruiz, Detective Inspector der Metropolitan Police, seit fünf Jahren im Ruhestand.
Ruiz ist breit wie ein Bär mit einer eingedrückten Nase und rosigen Trinkerwangen, drei Mal verheiratet und drei Mal geschieden. Und so weltverdrossen und fatalistisch, dass er mir manchmal vorkommt wie ein wandelndes Klischee – der trinkende, Frauen verschleißende Ex-Detective –, dabei wird ihm
das beileibe nicht gerecht. Er hat mich einmal wegen Mordes verhaftet. Ich habe ihn einmal vor sich selber gerettet. Freundschaften sind schon auf weniger gediehen.
Wir haben uns in einem Pub am Fluss verabredet, nicht weit von seiner Wohnung. The Blue Anchor liegt im Schatten der Hammersmith Bridge, die Gäste können den Ruderern zusehen und den Ausflugsbooten, die Richtung Hampton Court schippern.
Die Wände sind weiß gestrichen, blau abgesetzt und mit nautischen Utensilien verziert. Aus den Boxen tönt Van Morrison. Ruiz wartet an der Bar. Er ist ein großer Mann mit großen Händen. Eine davon beschützt ein Pint-Glas.
»Professor.«
»Vincent.«
»So ein Hemd verdient einen Drink.«
Es ist ein weiteres von Emma ausgesuchtes Stück.
»Was würde passieren, wenn ich auch noch die passende Hose dazu anhätte?«, frage ich.
»Ich müsste eine Festnahme als Zivilperson vornehmen. Guck mich nicht so an. Ich hab die Vorschriften nicht gemacht. «
Ruiz ist gut gelaunt, er erzählt Anekdoten und Witze. Wir plaudern über die Familie und Rugby. Er ist im Vorstand des lokalen Rugby-Vereins, der eine erfolgreiche Saison hinter sich hat.
Auf diese Weise haben wir etliche Mahlzeiten verquatscht, vor allem als Julianne noch bei mir war. Ruiz flirtete schamlos mit ihr und nannte sie ein Luxusweib, während sie ihn behandelte wie einen unartigen Schuljungen, der nicht erwachsen werden will.
Wir bestellen. Die Kellnerin empfiehlt das Tagesgericht, eine vegetarische Lasagne. Ruiz erklärt ihr, dass er sich nicht an die Spitze der Nahrungskette vorgearbeitet habe, um vegetarisch zu essen. Er bestellt das Rumpsteak, medium, Kartoffelbrei mit Butter, nicht mit Öl, und eine extra Portion Pfeffersauce.
Die Kellnerin wendet sich mir zu. Sie heißt Polly.
Ich nehme den Ploughman’s Lunch.
Sie wirkt erleichtert. Ruiz bestellt ein weiteres Bier. Er trägt eine Freizeithose und ein Sweatshirt. Ich meine mich zu erinnern, dass er beim Ausscheiden aus dem Polizeidienst gelobt hat, nie wieder eine Krawatte zu tragen, außer zu einem Rugby-Dinner oder auf einer Beerdigung.
»Und wie geht es Julianne?«
»Sie dolmetscht – zurzeit bei einem großen Prozess.«
Ruiz wartet, spürt, dass da mehr ist, aber ich will nicht über Ho-Ho-Ho-Harry Veitch reden.
»Und warum bist du wirklich
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