Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me
mich dann wieder bei dir.«
Zuerst rufe ich Bill Johnson in der Autowerkstatt im Dorf an und bitte ihn, den Volvo abzuholen und eine neue Tür aufzutreiben. Ich erkläre ihm, dass ich die Schlüssel unter den Sitz legen werde. Danach schalte ich meinen Laptop an, um online einen Flug nach Edinburgh zu buchen. Schließlich rufe ich Julianne an und frage sie, ob ich ihren Wagen leihen kann.
»Was ist denn mit deinem?«
»Der hat keine Fahrertür mehr.«
»Warum nicht?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
Ich kann mir vorstellen, wie sie vollkommen ohne jede Überraschung die Augen zur Decke verdreht.
»Und noch was: Ich muss morgen weg. Nur für einen Tag. Aber ich bin nicht rechtzeitig zurück, um Emma abzuholen.«
»Ich bitte eine der anderen Mütter, sie mit nach Hause zu nehmen.«
»Ist das wirklich okay für dich?«
»Ja, natürlich.«
Eine Viertelstunde später öffne ich die Tür zu unserem Häuschen.
Das Frühstücksgeschirr steht abgewaschen im Spülbecken. Juliannes Autoschlüssel liegt auf dem Kaminsims. Ich will gerade gehen, als mir einfällt, dass ich ein Foto von Sienna mitnehmen wollte. Charlie hatte immer eins an der Korkpinnwand über ihrem Schreibtisch hängen. Ich hoffe, sie hat nichts dagegen, dass ich es mir ausleihe.
Ich gehe die Treppe hinauf. An ihrer Zimmertür hängt ein Zettel, auf dem steht NICHT STÖREN, darunter ein Zusatz: »Das gilt für dich, Emma.« In Anbetracht der Tatsache, dass Emma noch nicht lesen kann, scheint das ziemlich überflüssig, aber ich bin sicher, die Botschaft ist auch mündlich übermittelt worden.
Charlies Schlafanzug liegt zusammengeknüllt auf ihrem Bett. Ihr Schreibtisch steht am Fenster, ihr Laptop ist aufgeklappt. An der Pinnwand entdecke ich einen Streifen Automatenpassbilder, auf denen Charlie und Sienna Grimassen ziehen. Auf dem letzten Bild beugt sich Sienna zu der Linse, als würde sie die Bedienungsanleitung lesen, weil sie nicht sicher ist, ob die Kamera noch einmal blitzen wird.
Ansonsten ist die Pinnwand übersät mit Haftnotizen, Bildern, Zeitungsausschnitten und kleinen Zetteln. Ein Schnappschuss zeigt Charlie und Sienna auf einem Riesenrad bei der Wessex Show. Das Bild wurde auf der Titelseite des Somerset Standard veröffentlicht.
Charlies Laptop ist im Ruhezustand. Mit einem Druck auf die Leertaste erwacht das Laufwerk zum Leben, und der Bildschirm leuchtet auf. Ich weiß, dass ich das nicht tun sollte. Ich sollte ihre Privatsphäre respektieren. Gleichzeitig muss ich immer an Sienna und ihre Geheimnisse denken, an Charlies Tränen in der Schule und unser Gespräch nach dem Spiel am Samstag.
Ich klicke die Chronik ihres Webbrowsers an, um zu sehen, auf welchen Seiten Charlie war. Die meisten erkenne ich: ihre Facebook-Seite, iTunes, You Tube, Twitter …
Sie hat ein Profil auf MSN eingerichtet, über das sie mit den meisten ihrer Freundinnen online kommunizieren kann. Es sind keine Nachrichten gespeichert. Charlie muss den Messenger so eingestellt haben, dass alte Nachrichten gleich gelöscht werden.
Ich schaue mir ihre Facebook-Seite an – die Foto-Alben. Es gibt Aufnahmen von ihrer letzten Zeltfahrt mit der Schule, von der Party einer Freundin und unserem Wochenende im Lake District, wo sie Gunsmoke durch den Garten jagt, nachdem er einen ihrer Turnschuhe geklaut hat. Manche Fotos lassen mich lächeln, andere zerren an unsichtbaren Fäden in meiner Brust.
Als ich ein neues Album öffne, entdecke ich zwei Fotos, auf denen ich die Umgebung nicht erkenne. Charlie spielt auf einem großen Bett mit einem kleinen Jungen. Sie trägt Jeans und T-Shirt und liegt, auf beide Ellenbogen gestützt, auf dem Bauch. Der Kragen ihres T-Shirts ist weit, ohne viel zu enthüllen, trotzdem finde ich das Bild beunruhigend. Auf dem nächsten Foto liegt sie auf dem Rücken und balanciert den kleinen Jungen auf ihren Knien. Ich frage mich, wer die Aufnahmen gemacht hat. Irgendjemand, in dessen Gegenwart sie sich wohlfühlt, dem sie vertraut.
Wenn ich die Bilder anschaue, kann ich mir Charlie als junge Frau vorstellen, verheiratet und Mutter. Das ist seltsam, denn normalerweise sehe ich sie immer noch als das kleine Mädchen, das in ihrem Dalmatiner-Pyjama und roten Cowboystiefeln im Garten »Vorstellungen« gegeben hat.
Shepparton Park School. Später Vormittag. Derek Stozer, der Direktor, ist ein großer Mann mit hängenden Schultern, einem plumpen Körper und einem Hang zur Glatzengärtnerei. Ich bin ihm bisher nur zwei Mal begegnet –
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