Todeszauber
Straßenseite. »Rauchen Sie da drüben. Da fällt es nicht so auf.«
Zweifelnd runzelt er die Stirn. »Meinen Sie wirklich?«
Ich nicke. Und tatsächlich trollt er sich auf die andere Straßenseite. Jetzt haben die lieben Nachbarn den Ärger.
Zum Abendessen bereite ich mir eine Portion Mirácoli zu. Danach gönne ich mir ein Schaumbad, liege im heißen Wasser und denke über mein neues Feindbild nach: Lademann. So ein Arsch. HANDSCHELLEN! Über die Handschellen komme ich nicht hinweg. Wie mich die Leute in der Susannenstraße angestarrt haben, als er mich mit gefesselten Händen zum Streifenwagen führte. Was die wohl geglaubt haben, weshalb ich festgenommen worden bin. Diebstahl, Einbruch, Mord?
Das kriegt der Typ zurück, denke ich. Wenn der sich einbildet, mich eingeschüchtert und abgeschreckt zu haben, dann hat er sich geschnitten. Ich hatte nicht vor, wegen Isabels Ermordung tätig zu werden. Ich hatte nicht vor, mal wieder unentgeltlich an einem Fall zu arbeiten und meine ohnehin defizitäre Detektei weiter in die roten Zahlen zu treiben. Aber Lademann lässt mich meine Vorsätze vergessen. Seine arrogante, schikanöse Art hat mich so richtig angefixt. Jetzt will ich Isabels Mörder finden. Und zwar bevor er ihn findet.
Voller Tatendrang mache ich mich gegen zweiundzwanzig Uhr auf den Weg. Innerlich darauf gefasst, das Cucaracha könne geschlossen sein. Das ist nicht der Fall. Doch kommt mir die Stimmung gedrückt vor. Niemand tanzt und auch die Musik scheint leiser als sonst zu sein.
Ich sehe mich nach Miguel um. Ihn zu finden ist nicht schwierig. Er steht am Tresen und hält sich an einem Glas Sol fest.
»Hola!«, sage ich.
Mit leerem Blick starrt er in sein Bier, das garantiert nicht sein erstes ist.
»Warum bist du abgehauen?«
Ohne eine Erwiderung dreht er mir den Rücken zu.
»Why did you run away?«, wiederhole ich meine Frage, diesmal etwas lauter, packe ihn an der Schulter und ziehe ihn zu mir. Seine Augendeckel flattern. Er sagt etwas. Aber ich verstehe ihn nicht.
»Könntest du lauter reden?«, rufe ich gegen die Musik an.
»I have no Aufenthaltsgenehmigung and no Arbeitserlaubnis«, sagt er mit schleppender Stimme und eindeutigen Artikulationsproblemen.
»Hast du die Bullen informiert?«
Er reißt die Augen auf. »Die Bullen? Ich? Why should I? I’m not crazy.«
Seine Entrüstung wirkt echt. Ich gehe ganz nah an ihn heran, sodass ich ihm ins Ohr flüstern kann. »Ich habe der Polizei nichts von dir erzählt. Ich habe so getan, als wäre ich allein gewesen, als hätte mich Isabel normalerweise allein unterrichtet.«
Sein Gesicht bleibt ausdruckslos.
»Du könntest Danke sagen.«
»Thank you.«
»Du bist betrunken«, stelle ich fest.
»Maybe.«
»Wart ihr ein Liebespaar?«
»Wer?«, fragt er verständnislos.
»Isabel und du?«
Er schüttelt so heftig den Kopf, dass er fast das Gleichgewicht verliert. »No chance«, sagt er. »At least not for one of us.«
Der Bemerkung folgt eine Kopfbewegung, die den ganzen Raum mit einzubeziehen scheint und die ich dahingehend interpretiere, dass Isabel sich zumindest in sexueller Hinsicht nicht für ihre Landsleute interessiert hat.
»Wen hat sie denn rangelassen?«
»Germans. Old, ugly, whatever. They only had to be rich.«
Ich ziehe das zerkratzte Foto, das ich unter Isabels Bett gefunden habe, aus meiner Gesäßtasche und halte es ihm hin.
»So alt und so hässlich wie der Typ hier?«
Miguel starrt das Bild an und wieder habe ich Angst, er kippt um. »Where did you get that?«, fragt er und klingt auf einmal viel nüchterner.
»Ist doch egal. Kennst du den Typen?«
»Ja.« Er starrt immer noch das Foto an. »I’ve seen them together. He picked her up from the club.«
»Weißt du, wie er heißt?«
»Mir ist schlecht.« Miguel dreht sich um und stürzt Richtung Toilette. Ich hinterher. »Mein Foto«, rufe ich und reiße ihm die Aufnahme aus der Hand, die er länger festhält als nötig. Als ich sie endlich wiederhabe, ist eine Ecke eingerissen.
Zurück am Tresen stecke ich das lädierte Bild wieder weg, klettere auf einen der Barhocker und bestelle mir einen Mojito. Der Club füllt sich langsam. Auf der Tanzfläche führen vier Paare mit viel Elan vor, was sie in den Salsakursen gelernt haben. Eine Reihe von Latinas sitzt an kleinen Tischen am Rand der Tanzfläche und ich erkenne einige der Trainer, die am Tresen stehen, Bier trinken und sich eifrig miteinander unterhalten.
Mir fällt ein, wie ich das erste Mal
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