Todeszauber
ich erstaunt.
»Nico ist ein guter Freund von mir, und da er heute Nachmittag keine Zeit hatte und ich zufällig im Theater war, hat er mich gebeten, Sie herumzuführen und Ihnen alles zu zeigen.«
»Vielleicht hätten Sie das Missverständnis ein bisschen früher aufklären sollen«, schnappe ich.
»Seien Sie nicht böse.« Er sieht mich mit einem gespielt unschuldigen Augenaufschlag an. »Aber Sie haben mich so verwirrt, dass ich ganz vergessen habe, mich vorzustellen.«
Bevor ich weiter die beleidigte Leberwurst spielen kann, greift er nach meinem Ellenbogen und zieht mich mit sich.
»Lassen Sie uns essen«, sagt er, dirigiert mich zurück in den schmalen Flur des Haupthauses und öffnet eine zweiflüglige Tür, durch die wir in ein geräumiges Zimmer mit niedriger Decke und kleinen weißen Sprossenfenstern gelangen. Der Raum ist äußerst sparsam möbliert. Mit gerade mal zwei Stühlen, die rechts an der Wand stehen. An der Decke hängt eine sich in runden Kaskaden nach unten verjüngende Lampe und am Boden erkenne ich eine circa zwei Meter lange, schwarz umrandete, ovale Fläche. Das ist alles.
»Aha«, sage ich und sehe meinen Gastgeber fragend an.
»Wie gefällt Ihnen die Lampe?«
»Schön«, sage ich. »Die waren, glaube ich, in den Siebzigern ziemlich beliebt. Mit diesen braunen Kunststoffblättchen.«
Er lächelt. »Gehen Sie mal näher hin und sehen Sie sich das Objekt genauer an.«
Ich stelle mich direkt darunter. »Das sind ja – Brillenfassungen«, sage ich erstaunt. »Ganz viele bräunliche Kunststofffassungen.«
»Das ist keine gewöhnliche Lampe, das ist ein Kunstwerk von Stuart Haygarth«, klärt mich von Sandleben auf.
»Erstaunlich«, sage ich.
»Ein gutes Beispiel dafür, dass man sehr genau hinsehen sollte. Auch wenn man glaubt, etwas zu sehen, das man kennt.«
Er greift wieder nach meinem Arm und zieht mich zu sich. »Entschuldigen Sie. Aber Sie stehen auf dem Tisch.«
»Was?«, frage ich.
Ein leises Summen ertönt und das Oval am Boden gleitet auseinander. Darunter kommt ein Tisch zum Vorschein, der sich surrend nach oben bewegt. Geschmückt mit einer weißen Damastdecke, silbernen Kerzenleuchtern, Rosenbouquets, feinstem Porzellan, bestickten Servietten, Kristallgläsern und Silberbesteck. Nicht zu vergessen der Kühler mit einer Flasche Champagner.
Ich bin baff. »Tischlein deck dich«, sage ich.
Von Sandleben grinst. »Gefällt es Ihnen?«
»Sie wollen mich beeindrucken.«
»Das könnte stimmen.«
Die Zimmertür öffnet sich und die sogenannte Haushälterin kommt herein. Mit hocherhobenem Haupt schreitet sie durch den Raum, als liefe sie auf einem Catwalk, greift sich die beiden Stühle und platziert sie jeweils an den Kopfenden des Tisches. Mit einer eleganten Handbewegung gibt sie mir zu verstehen, dass ich mich setzen soll. Dann nimmt sie die Flasche aus dem Kühler und präsentiert mir das Etikett. Ich komme mir vor wie in einem Drei-Sterne-Lokal.
»Möchten Sie einen Aperitif, Frau Petry?«
Auf mein Nicken füllt sie mein Glas mit edlem Rosé-Champagner.
Nachdem sie den Raum verlassen hat, stütze ich meine Ellenbogen auf dem Tisch ab, verschränke meine Finger ineinander und lege mein Kinn darauf ab. »Lieber Florian von Sandleben, was wird das hier, wenn es fertig ist?«
Er lächelt mich amüsiert an. »Ein zauberhafter Abend. Den Sie hoffentlich nie vergessen werden.«
»Was machen Sie beruflich, wenn Sie in Wirklichkeit gar nicht der Geschäftsführer des Hanse-Theaters sind?«
»Ich bin Privatier. Widme mich ganz meinem Hobby …«
»Das da wäre?«
»Die Magie. Die Illusion. Zauberei im weitesten Sinne.«
»Sie leben also vom Geld Ihrer Eltern?«
»Ja. Mein Vater war Reeder. Die Reederei ist noch in Familienbesitz. Also in meinem Besitz, ich bin ein Einzelkind. Aber ich kümmere mich nicht darum. Das machen diplomierte Betriebswirte und Einser-Juristen. Mir ist das zu kompliziert.«
»Und Sie haben keine Angst, dass diese diplomierten Betriebswirte und Einser-Juristen Sie bescheißen?«
Er lacht laut auf. »Die bescheißen mich sogar ganz bestimmt. Aber solange für mich unterm Strich genügend übrig bleibt, ist mir das egal.«
»Hauptsache, Sie können zaubern«, sage ich.
Er nickt bestätigend.
»Und wie machen Sie das? Treten Sie öffentlich auf?«
»Nein. Das läuft auf einer rein privaten Schiene. Ich treffe mich mit Gleichgesinnten und wir zaubern uns dann gegenseitig ein bisschen was vor.«
»Also so eine Art Männerverein. Oder
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