Todeszauber
schon ist die Tür wieder zu.
Cornfeld gibt mir einen kleinen Schubs und deutet mit dem Kopf nach oben. »Da ist eine Kamera installiert. Frau Reichweiler hat uns längst im Visier. Falls sie zu Hause ist.«
Offensichtlich ist sie zu Hause. Denn die junge Latina kehrt nach wenigen Minuten zurück und führt uns in den Salon. Einen Raum, der gut vierzig Quadratmeter groß sein dürfte und dessen halbrunde, drei Meter hohe Fenster zu einem kleinen Garten hinausgehen. Auf dem Eichenparkett liegt ein roter langfloriger Teppich, vor dem offenen Kamin stehen zwei hellbeige Sofas, an den weiß gestrichenen Wänden hängen Ölgemälde in schweren goldenen Rahmen.
Neugierig trete ich an eins der Fenster. Der Verdacht, der mich im Vorgarten beim Anblick der akkurat geschnittenen Buchsbaumkugeln beschlichen hat, bestätigt sich. Zwischen zwei Rosenbüschen kniet ein junger Mann, der damit beschäftigt ist, die alten Triebe zurückzuschneiden. So als hätte er meinen Blick gespürt, sieht er kurz hoch, in meine Richtung. Irgendwie kommt er mir bekannt vor.
Doch dann werde ich von einem knarrenden Geräusch abgelenkt. Hinter mir öffnet sich die Tür und Frau Reichweiler betritt den Salon. Sie ist das, was man eine Walküre nennen könnte, und genau das Gegenteil von dem, was ich erwartet habe. Einem klein gewachsenen, reichen Mann wie Reichweiler hätte ich eine typische Hamburger Eis-Ente zugeschrieben. Eines jener sehr großen, sehr schmalen und sehr blonden Geschöpfe, die Langbeinigkeit, Jugend, blendendes Aussehen und eine große Portion Arroganz auszeichnen. Eine Gattung Frau, die in Harvestehude, Eppendorf und Pöseldorf besonders gut gedeiht, gerne große schwarze Geländewagen fährt, in Jugendstilvillen wohnt und im Schnitt zwei Kinder in die Welt setzt.
Frau Reichweiler ist weit davon entfernt, in dieses Schema zu passen. Sie ist gut einen halben Kopf größer als ich, mit halblangem rötlichem Haar und einem Körperbau, der eindeutig zur Korpulenz tendiert. Sie trägt ein schwarzes, weit geschnittenes Kleid, das ihre Figur gnädig verhüllt, und hochhackige Pumps, in denen sie sich erstaunlich sicher bewegt.
»Hier ist es ja viel zu kalt«, stellt sie als Erstes fest, geht zu einem gekippten Fenster und schließt es.
»Besser?«, fragt sie und strahlt uns an. Ihre Herzlichkeit ist entwaffnend. »Setzen Sie sich doch. Worum geht es?«
»Um Isabel Ortega. Um ihre Ermordung. Wir sind Privatdetektive und mit der Aufklärung der Todesumstände beauftragt worden«, behaupte ich forsch.
»Eine schlimme Sache«, sagt sie und sieht tatsächlich bekümmert aus.
»Wir waren auch schon bei Ihrem Mann.«
»Ich weiß. Er hat es mir erzählt.«
»Er sagte uns, dass Sie eine offene Ehe führen.«
»Das stimmt.«
»Wussten Sie von Anfang an über die Affäre Bescheid?«
»Selbstverständlich.«
»Sie hatten nichts dagegen?«
»Warum sollte ich?«
»Nun ja«, mischt sich Cornfeld ein. »Nicht jede Frau akzeptiert so etwas.«
»Mein Mann und ich haben ein ganz besonderes Verhältnis zueinander. Das kann man Außenstehenden nur sehr schwer vermitteln. – Ist Ihnen jetzt eigentlich warm?«
»Was?«, frage ich irritiert.
»Ist Ihnen warm genug oder soll ich eine Decke holen?«
»Nein, nein«, wehre ich ab. »Es ist warm genug.«
»Gut.«
»Haben Sie Isabel Ortega auch kennengelernt? Ist sie je hier in diesem Haus gewesen?«, will ich wissen.
»Nein«, sagt sie und jetzt wirkt ihr Lächeln ein bisschen angestrengt. Dann reißt sie die Augen auf, als wäre ihr gerade ein ungeheuerlicher Gedanke gekommen. »Ich bin wirklich eine ganz schlechte Gastgeberin«, ruft sie aus. »Ich habe Sie ja noch gar nicht gefragt, ob Sie etwas trinken möchten. Einen Kaffee oder einen Tee vielleicht?«
»Ein Kaffee wäre nett«, sagt Cornfeld.
»Für mich einen Tee, bitte. Falls das nicht zu viele Umstände macht.«
»Kein Problem.« Frau Reichweiler steht auf und verlässt eilig das Zimmer.
»Was ist denn das für ’ne Nummer?«, flüstert mir Cornfeld zu. »Wenn das so weitergeht, adoptiert die uns noch.«
Erschrocken lege ich den Zeigefinger auf den Mund und gehe ganz nah an sein Ohr. »Wer Kameras am Eingang hat, der hat womöglich auch Mikros im Wohnzimmer«, flüstere ich.
Cornfelds Augenbrauen schnellen in die Höhe und er nickt. »Alles klar«, gibt er leise zurück, als sich auch schon wieder Schritte nähern.
»Ich habe Teresa Bescheid gesagt«, erklärt die Reichweiler munter und setzt sich wieder zu uns. »Wo
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