Todeszauber
verabschiedet sie uns.
Kurz darauf stehen Cornfeld und ich vor der Haustür und sehen uns erstaunt an.
»Was war das denn?«, fragt mein Assistent.
»Ein Rausschmiss«, sage ich. »Aber ein sehr eleganter. Das muss man ihr lassen.«
15
Wilsberg macht Druck
Von der Angestellten im Zauberkasten erfuhr ich, dass Kemmer um diese Zeit noch beim Frühstück sei, in einem Café am Hansaplatz, nur ein paar hundert Meter vom Laden entfernt.
Abseits der Langen Reihe war Sankt Georg ein schmuckloses Viertel mit hohen Mietshäusern und trostlosen Kneipen, in denen die einheimischen Alkoholiker wohl unter sich blieben. Eine einsame Hure stand auf dem Bürgersteig und fragte, ob ich ein bisschen Zeit habe. Ich bedauerte, ihr gegenüber die fehlende Zeit und in Gedanken die Frau. Wer sich schon am Morgen in Stiefeletten, Lederminirock und Schwarzhaarperücke zwängte, brauchte das Geld vermutlich ziemlich dringend.
Der Hansaplatz erweckte den Eindruck, als hätte er in den letzten Jahren eine städtebauliche Auffrischung erfahren. Der Straßenbelag war neu, ebenso wie die Häuserzeile, in der ich das Café entdeckte, dessen Namen Kemmers Angestellte erwähnt hatte.
Der ehemalige Zauberer saß an einem Tisch am Fenster und las Zeitung.
»Steht was Neues über Isabel Ortega drin?«, fragte ich, als ich ihm gegenüber Platz nahm.
Er ließ die Zeitung sinken und starrte mich mürrisch an.
»Eine seltsame Häufung von Todesfällen, finden Sie nicht?«, redete ich weiter. »Zuerst Stefano Monetti, jetzt seine Schwägerin.«
»Stefan wurde nicht ermordet. Er ist auf der Bühne gestorben – durch einen missglückten Trick.«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht.« Ich beugte mich vor. »Isabel ist in einem Varieté aufgetreten. Wussten Sie das?«
Kemmer faltete die Zeitung sorgfältig zusammen und legte sie auf den Tisch. »Nein. Ich kannte sie überhaupt nicht. Und es interessiert mich auch nicht, was sie gemacht hat. Möglicherweise habe ich mich vorgestern nicht klar genug ausgedrückt: Ich möchte, dass Sie mich mit Ihren Vermutungen und Theorien verschonen.«
»Ich habe noch gar keine Vermutung geäußert.«
»Aber ich weiß, worauf Sie hinauswollen: dass Stefan und Isabel einer großen Verschwörung zum Opfer gefallen sind.«
»Und? Sind sie?«
Er schlug mit der flachen Hand auf die Zeitung. »Das ist doch Unsinn.«
Eine Kellnerin tauchte an unserem Tisch auf und fragte nach meinen Wünschen.
»Zahlen«, sagte Kemmer.
Ich zuckte entschuldigend mit den Achseln.
Der Ladenbesitzer beglich die Rechnung und stapfte mit wütenden Schritten nach draußen. Vor dem Lokal holte ich ihn ein.
»Was soll das werden?«, fuhr er mich an. »Wie lange wollen Sie mir noch auf den Geist gehen?«
»Bis Sie mir die Wahrheit sagen.«
Seine Hand zitterte, als er mir mit dem Zeigefinger drohte. »Ich werde Sie anzeigen. Wegen Belästigung.«
Ich beschloss, einen Versuchsballon zu starten. »Bis jetzt habe ich Ihren Namen nicht erwähnt. Das muss nicht so bleiben.«
Er lachte höhnisch. »Was wollen Sie denn der Polizei über mich erzählen?«
»Nicht der Polizei. Reichweiler. Ich könnte andeuten, dass Monetti Ihnen gegenüber ausgepackt hat. Und dass Sie jetzt mit den Geschichten hausieren gehen.«
Sein Gesicht lief zuerst rot an und wurde dann kalkweiß. »Wieso Reichweiler?«
»Ich habe ihn gestern besucht. Er war übrigens Isabels Liebhaber.«
Kemmer schnaufte, als stünde er kurz vor einem Herzinfarkt. »Lassen Sie Reichweiler aus dem Spiel!«
»Dann reden Sie endlich!«
»Herrgott noch mal!« Er setzte sich in Bewegung. »Wissen Sie eigentlich, mit wem Sie sich da anlegen? Reichweiler ist einer der mächtigsten Männer Hamburgs.«
»Geld hat mir noch nie Respekt eingeflößt.«
»Sie sind auch nicht von ihm abhängig. So wie ich.«
Es dauerte einen Moment, bis ich die Bedeutung seiner Worte begriff. »Reichweiler ist Ihr Kunde? Einer aus dem Magier-Zirkel?«
»Das Hanse-Theater war mein Kunde. Mein größter Kunde. Wegen einer Lappalie hat Reichweiler unsere Geschäftsbeziehung beendet.«
Kemmer registrierte meine Verwunderung und wurde sauer. »Verdammt, Sie haben nur geblufft. Sie wussten gar nicht, dass Reichweiler das Hanse-Theater gehört.«
Das erklärte einiges. Eine glatte Lüge, dass Reichweiler Monetti nicht gekannt hatte. Der Reeder war das Bindeglied zwischen Monetti und Isabel.
»Was steckt hinter diesem Magier-Zirkel?«, fragte ich.
Der Ladenbesitzer guckte stur geradeaus. »Ich habe keine
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