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Todeszauber

Todeszauber

Titel: Todeszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Würth
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ich.
    »Nein.«
    »Siehst du hier irgendwelche Wesen mit langen blonden Haaren, wallenden Gewändern und großen weißen Flügeln?«
    »Nein, auch keine schwarz gekleideten Herren mit kleinen Hörnchen auf dem Kopf.«
    »Gut, das beruhigt mich.«
    Wilsberg lächelt mich liebevoll an. »Scheint so, als hätten wir es überlebt.«
    »Scheint so«, sage ich und steige aus.

27
    Wilsberg beißt auf Granit
    Ich hielt es für keine gute Idee, aber Pia war nicht davon abzubringen. Sie wollte unbedingt und sofort zu Miguel und ihn zur Rede stellen. Dass jemand, der gerade eine geöffnete Gasflasche in einem Auto platziert hatte, sich vor einem unbewaffneten Detektivpaar nicht zu Tode erschrecken würde, ließ sie nicht gelten. Sie vertraute auf ihr Reizgas und vermutlich, obwohl sie es nicht erwähnte, darauf, dass mir im entscheidenden Moment etwas einfallen würde. Ich war da skeptischer. Doch mit dem Argument, dass sie eben allein fahren würde, falls ich nicht mitkäme, entschied Pia die Diskussion für sich und das Risiko.
    Ein Taxi brachte uns ins Schanzenviertel. Widerwillig schaute ich aus dem Fenster. Der Regen hatte nachgelassen, aber der Himmel war immer noch grau verhangen. Kein Wetter, um das Schicksal herauszufordern. Einmal Todesangst pro Tag sollte in meinem Alter eigentlich reichen.
    »Woran denkst du?«, fragte Pia.
    »An die Unvernunft der Frauen.«
    »Ich habe mit ihm getanzt. Ich habe ihn vor der Polizei beschützt. Ich will wissen, warum er das getan hat.«
    »Verstehe«, sagte ich. »Hoffentlich erklärt er uns das, bevor er sein Messer zieht.«
    »Du …«
    »Schon gut«, würgte ich sie ab. »Wir haben ja heute unseren Glückstag.«
    Der Taxifahrer setzte uns auf der Stresemannstraße ab. Pia führte mich in eine schmale Seitenstraße. »Isabel hat dort drüben gewohnt.«
    Sie zeigte auf ein, abgesehen von den Schmierereien am Sockel, grünes Jugendstilhaus. »Miguel muss in einem der Nachbargebäude wohnen.«
    Von irgendwo näherte sich Sirenengeheul. Wir passierten eine Toreinfahrt und hörten eine Stimme, die etwas brüllte. Pia und ich blieben gleichzeitig stehen. Die Stimme, die durch den Widerhall des Innenhofes hinter der Einfahrt verstärkt wurde, kannten wir beide nur zu gut.
    »Lademann«, sagte ich.
    Wir liefen durch den Torbogen, vorbei an Fahrrädern und Graffiti. Der kleine Innenhof diente in erster Linie als Abstellplatz für Müllsäcke, ein einziges, kümmerliches Bäumchen kämpfte dazwischen um Licht und Leben. Wir blickten nach oben. Lademann stand an einem Fenster im zweiten Stock und redete auf einen Mann ein, der außen an der Hauswand klebte.
    »Miguel«, erklärte Pia.
    Der Mauervorsprung, auf dem Miguel balancierte, bot ausreichend Platz für eine Taube oder eine tollkühne Katze. Für Menschen war er viel zu schmal. Ich spürte, dass meine Fußsohlen kribbelten. Schon vom bloßen Hinsehen bekam ich Höhenangst.
    »Scheiße«, murmelte Pia. Und lauter: »Miguel! Bist du verrückt?«
    Mit angstverzerrtem Gesicht starrte er zu uns herab. »Pia!«
    Ich bemerkte, dass seine Beine zitterten.
    »Nicht nach unten gucken!«, rief Pia. »Drück dich gegen die Wand!«
    Lademann wedelte mit dem Arm. »Verschwinden Sie da!«
    »Wir kommen rauf.« Bevor der Hauptkommissar etwas erwidern konnte, rannte Pia los. Und ich hinterher.
    Vor dem Haus stoppten gerade zwei Streifenwagen. Die Haustür war nicht verschlossen. Wir stürzten die Treppe hinauf. Im zweiten Stock mussten wir nicht lange suchen, eine der Wohnungstüren hing nur noch auf dem unteren Zapfen. Wir drückten uns an dem demolierten Türblatt vorbei und kamen in einen schmalen, mit Kisten und anderem Gerümpel vollgestellten Flur. Rechts eine große Küche mit Bergen von schmutzigem Geschirr, links ein Zimmer mit Bett und Schreibtisch. Es roch nach Männer-WG. Das zweite Zimmer auf der rechten Seite schien Miguel zu gehören, Lademann und Petersen standen vor dem einzigen Fenster. Als sie uns hörten, drehte sich Lademann kurz um und zischte seinem Untergebenen einen Befehl zu.
    Petersen kam uns mit ausgebreiteten Armen entgegen. »Sie dürfen hier …«
    »Weg da!«, fauchte Pia ihn an.
    Resigniert ließ der junge Kriminalbeamte die Arme sinken. Ich tat ihm den Gefallen und blieb in der Mitte des Raumes stehen. Am Fenster war ohnehin nur Platz für zwei.
    Zwischen Pia und Lademann entspann sich ein kurzer Wortwechsel, in dem Pia behauptete, erheblich geeigneter zu sein, Miguel zur Rückkehr in die Wohnung zu bewegen. Lademann

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