Todeszauber
Lebenserfahrung sagte mir, dass jede weitere Diskussion zwecklos war.
Pia riss sich zusammen, bis ich die Wohnungstür erreichte. Dann hörte ich ihr Schluchzen.
28
Pia Petry hört Nachrichten
Am nächsten Morgen werde ich von meinem Radiowecker aus dem Schlaf gerissen. Es ist acht Uhr und Radio Hamburg sendet die Nachrichten. Aus weiter Ferne dringt die Stimme des Sprechers an mein Ohr und ich bin kurz davor, wieder einzuschlafen. Da fällt ein Name: ROSENBERG.
… Rosenberg verunglückte in den frühen Morgenstunden auf der Willy-Brandt-Straße. Aus ungeklärter Ursache verlor der Wirtschaftssenator die Kontrolle über seinen Wagen und raste ungebremst gegen einen Brückenpfeiler. Rosenberg starb noch am Unfallort …
Ich sitze senkrecht im Bett. Was?
Rosenberg ist tot.
Meine erste Reaktion ist Entsetzen, meine zweite ein massives Schuldgefühl. War das mein Fehler? Hätte ich ihm keine Galgenfrist einräumen dürfen? Hat er mit den persönlichen Angelegenheiten, die er noch regeln wollte, seinen Freitod gemeint, oder habe ich seinem Mörder genau die Zeit verschafft, die er brauchte, um den Politiker aus dem Weg zu räumen? Vielleicht war es ja tatsächlich ein Unfall, versuche ich mir einzureden. Doch das glaube ich nicht.
Ich schwinge die Beine über die Bettkante, stehe auf und setze mich gleich wieder hin. Das Chaos in meiner Wohnung habe ich völlig vergessen. Zwar habe ich gestern noch notdürftig aufgeräumt, aber immer noch stapeln sich jede Menge Bücher auf dem Boden. Auch liegen aufgeschlitzte Polster und Kissen herum und einiges ist zu Bruch gegangen, von dem ich hoffe, dass man es wieder kleben, flicken oder sonst wie reparieren kann. Meine zertrümmerten Schätze habe ich zu kleinen kläglichen Häufchen auf dem Teppichboden sortiert. Ihr Anblick ist zutiefst deprimierend. Obwohl ich sicher bin, dass die Einbrecher relativ schnell gefunden haben, was sie suchten, sind sie wie die Vandalen über meine Wohnung hergefallen. Aus reiner Bosheit.
Arschlöcher, sage ich leise und hebe eine Glasscherbe auf, die meinem Staubsauger gestern Abend entgangen ist. Nachdenklich betrachte ich das funkelnde Stückchen Glas. Wer hat mir diese DVD geschickt? Und wer hat sie geklaut?
Ich muss telefonieren, denke ich und krame mein Handy aus der Tasche. Ein nagelneues Nokia, das ich mir gestern Abend noch am Hauptbahnhof besorgt habe. Die alte SIM-Karte ist Gott sei Dank noch intakt, sodass es kein Problem ist, Wilsbergs Nummer zu finden.
Gegen zehn Uhr komme ich ins Büro. Von Cornfeld ist weit und breit nichts zu sehen. Dafür klingelt das Telefon, kaum dass ich meinen Mantel aufgehängt habe.
»Detektei P-Quadrat, Pia Petry, guten Tag.«
»Wo ist Herr Cornfeld?«, bellt mir jemand ins Ohr.
»Das weiß ich nicht …«
»Dann richten Sie ihm bitte Folgendes aus: ER IST ENTLASSEN! Er sollte heute Morgen Herrn Gerassimov zu einem wichtigen Termin beim Bürgermeister bringen. Und er ist nicht erschienen. Herr Gerassimov kam eine Viertelstunde zu spät. Das ist eine Katastrophe und wird ein Nachspiel haben. Und den Cayenne, den bringt Ihr Kollege auch zurück. Und zwar noch heute!«
Ich vernehme ein dumpfes Geräusch und anschließend den mir nur zu bekannten Dauerpiepston. Der gute Mann hat aufgelegt. Scheiße, denke ich. Das hört sich nicht gut an.
Ich gehe in mein Büro. Zu meiner Überraschung entdecke ich auf meinem Schreibtisch einen Computerausdruck, an dem ein Post-it mit einer Notiz von Cornfeld klebt. Offenbar ist er zwischenzeitlich hier gewesen und hat sogar Zeit gefunden, ein bisschen zu arbeiten. Angesichts seines turbulenten Privatlebens ausgesprochen erstaunlich. Allerdings brauche ich eine Weile, bis ich seine Schrift entschlüsselt habe: Der Knochen stammt von einem Komodowaran , steht da. Infos anbei. Dann sehe ich mir den Ausdruck an.
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie:
Komodowaran
Klasse: Reptilien (Reptilia)
Ordnung: Schuppenkriechtiere (Squamata)
Familie: Warane (Varanidae)
Gattung: Warane (Varanus)
Art: Komodowaran
Wissenschaftlicher Name: Varanus komodoensis
(Ouwens, 1912)
Der Komodowaran ist die größte lebende Art der Echsen (Unterordnung Lacertilia). Er kommt nur auf einigen zu Indonesien gehörenden Inseln vor. Zum Schutz der Art wurde 1980 der Komodo-Nationalpark gegründet.
Der Komodowaran wird bis zu drei Meter lang. Mit leerem Magen wird er zwar selten schwerer als 50 kg; da er aber in kurzer Zeit bis zu 80 Prozent seines Körpergewichts an
Weitere Kostenlose Bücher