Todeszauber
schnaubte ein paarmal und gab dann nach: »Meinetwegen. Versuchen Sie es!«
Ich lächelte Petersen an. »Warum haben Sie nicht geklopft, bevor Sie die Tür eingetreten haben?«
»Das haben wir.«
»Aber irgendetwas muss Miguel heftig verschreckt haben.«
»Wahrscheinlich die Aussicht, wegen Mordes angeklagt zu werden.«
»Er war es also?«
»Ich kann …«
»Sie dürfen mir nichts sagen, schon klar.« Ich schaute mich um. Über dem Bett, das an der Seitenwand stand, hingen Fotos. Aufnahmen im Postkartenformat, die mit Heftzwecken an der Tapete befestigt waren.
Petersen registrierte meinen Blick. »Fassen Sie bloß nichts an! Am besten …«
»Petersen!«, knurrte Lademann.
»Ja, Chef?«
»Wo bleibt die verdammte Feuerwehr? Die sollen endlich ein Scheißsprungtuch aufspannen.«
Petersen drehte sich um. »Die müssen jeden Moment hier sein.«
»Wir haben keine Zeit mehr. Der Typ ist am Ende.«
Ich trat näher an die Fotos heran. Sie waren offenbar in Kuba entstanden, im Hintergrund konnte ich ärmliche Häuser mit abblätternden, pastellfarbenen Hausanstrichen oder Palmen erkennen. Im Vordergrund Isabel Ortega, mal allein, mal mit Freundinnen. Auf einem Foto hatte Miguel sie besitzergreifend an sich gezogen und grinste breit in die Kamera.
Petersen zog mich zurück. »Habe ich nicht gesagt …«
Ich zeigte auf die Fotos. »Ist das das Mordmotiv? Eifersucht?«
»Sieht so aus. Vermutlich hat Miguel Lopez von Isabels Affäre mit Reichweiler erfahren. Zwei Haare, die wir an Isabels Leiche gefunden haben, konnten wir eindeutig Lopez zuordnen.«
»Und wie sind Sie auf Miguel gekommen?«
»Wir haben alle Leute aus Isabels Umfeld überprüft, auch ihre Kollegen mussten Speichelproben abgeben. Und das Ergebnis war eindeutig.«
»Petersen!«, brüllte Lademann. »Was treiben Sie da?«
»Nichts«, sagte ich.
»Halten Sie endlich die Klappe!«, fauchte Pia den Hauptkommissar an. Dann beugte sie sich wieder aus dem Fenster. »Nur noch drei Schritte, Miguel. Komm, das schaffst du! Ja, so ist es gut.«
»Lassen Sie mich mal ran!« Lademann schob Pia zur Seite und streckte seinen Arm aus. »Greif nach meiner Hand, Junge! … Okay, ich habe dich.«
Ein Schrei. Lademann wurde nach vorn gerissen und landete mit dem Bauch auf dem Fensterbrett. Dann ein dumpfer Aufprall.
»Scheiße! Scheiße!«, kam es von Lademann.
»Miguel!« Pia zwängte sich neben den Kripomann. »Miguel!«
Noch ein Schrei. Ein Schmerzensschrei diesmal, der in ein Stakkato von Schmerzlauten überging. Miguel lebte.
»Einen Krankenwagen!« Lademann gewann seine Form zurück. »Muss ich mich denn um alles selber kümmern, Petersen?«
»Ist angefordert, Chef.«
Ich ging zu Pia und legte ihr einen Arm um die Schulter.
»Er ist Gott sei Dank auf die Müllsäcke gefallen«, flüsterte Pia.
»Schaffen Sie diese Leute raus!« Lademann winkte den beiden uniformierten Polizisten, die in der Zimmertür standen. »Die haben hier nichts verloren.«
Ich wandte mich zu ihm um. »Sie haben nicht zufällig seine Hand losgelassen? Um das Problem aus der Welt zu schaffen?«
»Lecken Sie mich, Wilsberg! Sie sind längst nicht aus dem Schneider. Für den Mord an Kemmer habe ich Anna Ortega zur Fahndung ausgeschrieben. Und Sie kommen immer noch als Komplize infrage.«
Während der Taxifahrt schwiegen wir beide. Daraus, dass sie dem Taxifahrer als Ziel ihre Wohnungsadresse genannt hatte, schloss ich, dass Pias Bedarf an Aufregung vorläufig gedeckt war. Mir kam das sehr entgegen. Für den Rest des Nachmittags und den Abend hatte ich keine weiteren Pläne, als auf Pias Sofa zu sitzen und vielleicht das eine oder andere Glas Rotwein zu leeren. Nach der Nacht in Polizeigewahrsam und den Ereignissen des bisherigen Tages fühlte ich mich so schlapp wie ein Fahrradschlauch, der Bekanntschaft mit einem Haufen Glasscherben gemacht hat. Und Pia erging es offenbar nicht anders.
»Ich verstehe das nicht«, sagte sie leise. »Dieser Typ soll mir eine Gasflasche ins Auto gelegt haben? Hast du seine Augen gesehen? Wie er mich angeguckt hat? Das passt doch nicht zusammen.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Er hatte Angst um sein Leben. Wahrscheinlich wollte er sich nicht umbringen, sondern flüchten, als die Polizei an die Tür geklopft hat. Ist kopflos aus dem Fenster geklettert und merkte plötzlich, dass es kein Vor und Zurück gab. In solchen Situationen werden auch Mörder zu hilflosen, mitleiderregenden Wesen.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mich
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