Todeszauber
gesehen.«
Von Sandleben räuspert sich und fährt sich verlegen mit der Hand durch die Haare. Mein Blick fällt auf seine Manschettenknöpfe. Es sind die gleichen, wie Reichweiler sie trägt.
»Nein, sie sind da nicht mehr.«
»Wieso?«, fragt Wilsberg und mir dämmert Abscheuliches.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, rufe ich aus. »Sie haben sie gegessen. Die Keas stehen bei Ihnen und Ihren Zauberfreunden auf dem Speiseplan.«
Von Sandleben mustert mich interessiert. »Ihre Kombinationsgabe ist besser, als ich erwartet habe. Aber dieses spezielle Paar wurde noch nicht verzehrt.«
»Wie, um Gottes willen, kommt man dazu, Tiere zu essen, die vom Aussterben bedroht sind!«, fahre ich ihn an. »Das ist doch unverantwortlich.«
»Wieso?«, fragt von Sandleben gewohnt blasiert. »Sie sterben doch ohnehin aus. Ob wir sie nun essen oder nicht. Und so wird ihnen noch eine ganz besondere Ehre zuteil. Wir verspeisen sie in dem Bewusstsein, dass sie die letzten ihrer Art sind. Ansonsten würden sie von ihren natürlichen Feinden getötet, die dafür nicht das geringste Verständnis haben.«
»Was gibt es denn sonst noch Leckeres bei Ihnen zu essen?«, fragt Wilsberg.
»Ameisen, Heuschrecken, Leguane, Schildkröten, exotische Vögel, Schlangen, Fledermäuse …«
»Oder Komodowarane«, falle ich ihm ins Wort.
»Das ist verboten«, sagt Wilsberg sachlich. »Sie dürfen diese Tiere doch garantiert noch nicht mal einführen.«
»Streng nach dem Gesetz haben Sie wahrscheinlich recht.«
»Und wieso hat Frau Reichweiler die beiden Keas?«, frage ich.
»Sie hat die Vögel gerettet«, antwortet von Sandleben und verdreht die Augen. »Aber an Ihrer Stelle würde ich mich jetzt langsam mal auf den Weg machen.«
Misstrauisch sehe ich ihn an. »Was soll das? Sie wollen uns doch garantiert nur wieder austricksen.«
»Die Vögel«, sagt er, »waren in Panik. Das war deutlich zu hören. Daher fürchte ich, dass Ihr Kollege in ernsthaften Schwierigkeiten stecken könnte.«
Wilsberg und ich wechseln einen Blick und streben gemeinsam dem Ausgang zu.
»Wohin wollen Sie?«, ruft von Sandleben uns nach.
»Zu den Reichweilers!«, antworte ich.
»Zu welcher Adresse?«
»Schöne Aussicht.«
»Falsch«, antwortet er. »Die Vögel befinden sich in ihrem Wochenendhaus an der Schlei. Wenn Sie einen Moment warten, schreibe ich Ihnen die Adresse auf.«
Die Frage, wer Auto fährt, habe ich für mich entschieden. Wilsberg ist ein guter und umsichtiger Fahrer. Aber heute Abend sind andere Qualitäten gefragt. Während ich mit hundertvierzig Stundenkilometern durch den Elbtunnel jage, versucht Wilsberg erfolglos, Anna oder Cornfeld zu erreichen. Ich erzähle von der gespenstischen Erscheinung in von Sandlebens Geisterhaus und der sich daraus ergebenden Konsequenz, dass Isabel und Reichweiler ein Liebespaar waren.
Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass Wilsberg mir nicht richtig zuhört. Er hat sich tief in den Sitz gedrückt und scheint seinen rechten Fuß nicht unter Kontrolle zu haben. Der zuckt ständig nach vorn, als versuche er, ein imaginäres Bremspedal zu bedienen.
»Hast du kein Vertrauen zu mir?«, frage ich.
»Vorsicht!«, ruft er. »Den Fiat hättest du fast gerammt.«
»Ja«, sage ich, »aber nur fast.«
»Könntest du nicht ein bisschen langsamer fahren? Anna und Cornfeld haben überhaupt nichts davon, wenn wir heute Abend an einem Brückenpfeiler enden.«
Ich tue ihm den Gefallen und reduziere die Geschwindigkeit. Aber nur ein bisschen.
»Was genau hat Cornfeld gesagt, als er vorhin anrief?«, fragt Wilsberg, nachdem er sich etwas erholt hat.
»Er hatte Anna gefunden und wollte irgendwo mit ihr hin. Die Verbindung war aber so schlecht, dass ich ihn nicht so genau verstanden habe.«
»Der Anruf kam aus dem Auto?«
»Ja. Ich denke, sie sind mit Gerassimovs Cayenne unterwegs.«
»Das spricht zumindest nicht gegen von Sandlebens Theorie«, sagt Wilsberg. »Da war ein Baustellenschild«, ruft er entsetzt.
»Ja und? Es ist immer noch da. Was willst du denn?«
»O mein Gott«, sagt er. »Hoffentlich überlebe ich das!«
»Schisser«, antworte ich und komme wieder auf unser Thema zurück. »Von Sandleben ist unglaublich clever und manipulativ. Wir können nicht ausschließen, dass er uns mit Absicht in die falsche Richtung geschickt hat.«
Wilsberg nickt. »Das Problem ist nur«, sagt er leise, »dass wir das nie herausfinden werden. Weil du uns vorher in der Schlei versenkt hast.«
Als wir vor dem Haus
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