Todeszauber
blühenden Johannisbeerstrauchs auf die warme Erde, nippte an dem schwarzen Gebräu und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Die Krähe stieß einen ärgerlichen, heiseren Schrei aus, weil der Blutgummibaum den Mann ihren Blicken entzog. Sie flog einen großen Kreis und hockte sich auf einen anderen Baum, von dem aus sie Bony beobachten konnte.
»Mein lieber Totengräber!« rief Bony ihr gutgelaunt zu. »Ich bin doch noch gar nicht tot. Ganz im Gegenteil, ich habe mich noch nie so lebendig gefühlt. Es ist nun das zweitemal, daß ich die Eingeborenen gegen mich habe. Und ein Eingeborener begeht nicht so einfältige Fehler wie der kluge und zivilisierte weiße Mann!«
Er hätte zu gern gewußt, ob das Rauchsignal verabredet gewesen war, oder ob es lediglich ankündigte, daß einer der Eingeborenen eine telepathische Nachricht geben würde. Und welcher der drei würde dann wohl am Boden hocken, die Arme auf die Knie, die Stirn auf die Arme gelegt, während er einem Eingeborenen am Meenasee die Gedankenbilder über das Zusammentreffen mit Bony übermittelte.
Doch die drei Schwarzen schienen Bony zu jung, um die Kunst der Gedankenübertragung zu beherrschen. Das Signal bedeutete also wohl lediglich, daß er hier draußen eingetroffen war.
Die Krähe stieß einen heiseren Schrei aus, dann gab sie einen gurgelnden Laut wie ein Mensch von sich, der gewürgt wurde.
»Sei doch still da oben!« murmelte Bony und schloß die Augen. Wieder sah er den langen Strich des Zauns vor sich, der den Busch zerschnitt. Und zu beiden Seiten dieses Zauns standen unter Bäumen zwei Pferde – ein braunes und ein weißes. Diese Stelle mußte ganz in der Nähe sein! Bony hörte wieder das Geräusch des Flugzeugmotors, sah das weiße Gattertor an der Straße – und wieder sah er die beiden Pferde, die reglos im Schatten der Bäume standen. Und plötzlich entdeckte er hinter dem weißen Pferd den riesigen Blutgummibaum mit dem leuchtend grünen Laubdach. Der Schimmel hatte also etwas näher zum Gattertor gestanden.
Bony seufzte zufrieden. Er war nun sicher, den heimlichen Treffpunkt zu kennen.
»Der menschliche Geist vermag Großes zu vollbringen, mein schwarzer Freund«, sagte Bony zu der Krähe. »Aber er kann uns auch so manchen Streich spielen. Und nun wollen wir einmal sehen, ob mir mein Geist einen Streich gespielt hat.«
Er ging hinüber zu dem Mulgabaum, der einige Meter weiter in Richtung zum Gattertor stand. Die Erde rings um diesen Baum war glatt, keinerlei Spuren zu erkennen. Dabei hätte sogar ein Tausendfüßler eine Spur hinterlassen müssen. Bony schlenderte weiter zum nächsten Baum. Auch hier war das Erdreich glatt, aber überall lagen die langen, nadelspitzen, vertrockneten Mulgablätter. Ein kleiner Vogel und ein mittelgroßer Skorpion hatten ihre Spuren hinterlassen. Bony kehrte zu dem ersten Baum zurück und untersuchte noch einmal gründlich den Boden. Jemand hatte alle Spuren weggewischt – und zwar innerhalb der letzten achtundvierzig Stunden.
Eine Schmeißfliege brummte, Bony fuhr herum, suchte sie. Ungefähr drei Meter vom Stamm entfernt setzte sie sich auf den Boden. Bony trat hinzu, kniete nieder und schnupperte. Es roch deutlich nach Pferd. Dianas Schimmel hatte im Schatten dieses Baumes gestanden. Und doch war nicht die geringste Spur zu entdecken. Der Boden war glatt, viel zu glatt.
Bony sah sich um. Buschwerk und Bäume standen sehr dicht, lediglich am Zaun konnte man ungehindert entlangblicken. Es war also durchaus möglich, daß er von unsichtbaren Augen beobachtet wurde.
Als er sich jenseits des Zaunes umsah, fand er an einem Baumstamm eine bräunliche Strieme. Hier war ein Pferd angebunden gewesen. Doch auch rings um diesen Baum war der Boden völlig glatt, während bereits einige Meter weiter die Erde mit Laub und Zweigen bedeckt war. Pferdegeruch konnte er diesmal allerdings nicht feststellen. Eine volle Stunde suchte er – den Blutgummibaum als Mittelpunkt wählend – das Gelände ab, und obwohl mehrere verdächtig glatte Stellen verrieten, daß hier Spuren verwischt worden waren, konnte Bony keine Eindrücke von Hufen oder nackten Füßen finden.
Immerhin machte er einen interessanten Fund: Eine kleine, graue Feder mit einem dunkelroten Fleck.
Die Krähe hatte ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Hin und wieder stieß sie ein ärgerliches Krächzen aus, und obwohl Bony sich nichts anmerken ließ, beobachtete er den schwarzen Vogel ständig. Kein noch so geschickter Späher
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