Todeszauber
aber den Beweis dafür zu erbringen, muß ich es erst noch mit einem Haar vergleichen, von dem feststeht, daß es von ihm stammt. Ich schlage deshalb vor, daß wir jetzt auf Andersons Zimmer gehen und das von mir gefundene Haar mit einem aus seinem Kamm entnommenen vergleichen. Das Mikroskop habe ich mitgebracht.«
Mit erstaunlicher Gewandtheit sprang der alte Lacy auf. Blake und Bony standen ebenfalls auf, Diana erhob sich als letzte.
»Das werden wir gleich haben«, erklärte der alte Herr energisch. »Wenn das Haar tatsächlich von Anderson stammen sollte – was würde es beweisen?«
»Daß er an einen Mulgabaum gefesselt und mit seiner eigenen Peitsche ausgepeitscht worden ist.«
»So etwas habe ich mir gedacht. Die verdammten Schwarzen haben ihm seine eigene Medizin zu kosten gegeben.« Die Stimme des alten Herrn klang triumphierend, denn diese Theorie hatte er von Anfang an vertreten.
Der alte Lacy ging ins Büro, um den Schlüssel zu holen, während die anderen vor Andersons Zimmer warteten.
»Sie scheinen tatsächlich einen höchst interessanten Beruf zu haben, Mr. Bonaparte«, sagte das Mädchen tonlos.
»Manchmal, Miss Lacy. Es gibt aber auch schrecklich viel Routinearbeit.«
Der alte Lacy trat aus dem Büro, sein Sohn folgte ihm. Der junge Mann begrüßte die Gäste erfreut, die Tür wurde aufgeschlossen, und die fünf Personen drängten sich in das Zimmer, das nun seit sechs Monaten unbewohnt war. Eine Tür des Kleiderschranks stand offen, man sah mehrere Anzüge. An einem Haken neben dem Fenster hingen Andersons Peitschen. Das Bett war gemacht, aber eine rote Staubschicht lag auf der Decke. Auf der Kommode, vor dem breiten Spiegel, lagen die Toilettenartikel des Vermißten.
»So, jetzt werde ich das Mikroskop auspacken«, sagte Bony leise, und die anderen traten schweigend zurück. »Könnte ich eine Petroleumlampe haben?«
Der junge Lacy eilte ins Büro. Durch das einzige Fenster fielen die Strahlen der untergehenden Sonne und überschütteten die Gesichter mit roter Glut. Bony baute auf der Kommode das Mikroskop auf, und in seinem schwarzen Haar spielten braunrote Lichter. Die Petroleumlampe wurde angezündet und danebengesetzt. Dann legte Bony das gefundene Haar sowie ein aus dem Kamm entnommenes zwischen zwei Deckgläser und schob es auf den Objekttisch, stellte das Okular ein und trat zurück.
»Ladies first! Miss Lacy, würden Sie einmal die beiden Haare ansehen und uns Ihre Meinung sagen?«
»Ich glaube kaum, daß meine Meinung zählt, Mr. Bonaparte, aber trotzdem möchte ich einen Blick riskieren.«
»Danke. Offen gestanden, ich rechne vor allem mit Ihrem weiblichen Farbensinn.«
Schweigend sahen die Männer zu, wie das Mädchen das Auge ans Okular preßte. Es mochte fast eine Minute vergangen sein, als sie sich wieder aufrichtete.
»Meines Erachtens sehen die Haare gleich aus.«
Der alte Lacy kam zu demselben Ergebnis. Blake allerdings war nicht so sicher, und der junge Lacy pflichtete dem Sergeanten bei. Bony ließ sich Zeit. Volle fünf Minuten verglich er die beiden Haare miteinander, und als er sich schließlich zu den anderen umdrehte, stand eine steile Falte auf seiner Stirn.
»Die beiden Haare stammen von verschiedenen Männern«, sagte er langsam. »Ich gebe zu, daß es sehr schwer ist, den leichten Farbunterschied zu erkennen. Das Haar, das ich am Baum gefunden habe, ist eine Nuance heller als das aus dem Kamm. Nun könnte man das allerdings auf den bleichenden Effekt der Sonnenstrahlen zurückführen. Die Farbe allein scheidet also als Kriterium aus. Der Unterschied wird aber sofort klar, wenn man Länge und Durchmesser vergleicht. Das Haar vom Baum ist kürzer und dünner als das aus dem Kamm. Außerdem werden Sie feststellen, daß das Haar aus dem Kamm rauher ist. Die Haare stammen also von zwei verschiedenen Männern. Wahrscheinlich werde ich die Haare noch nach Brisbane ins Labor schicken, aber ich bin sicher, daß die Experten meine Meinung teilen werden. Und nun schauen Sie sich die beiden Haare noch einmal an. Ich bin überzeugt, daß Sie den Unterschied nunmehr sehen.«
Nach einem kurzen Blick ins Mikroskop pflichtete Blake Bony bei, daß die Haare verschieden lang seien. Diana hingegen behauptete, daß sie gleich lang seien, und der alte Herr schloß sich ihrer Meinung an. Der junge Lacy aber wußte nicht recht, wie er sich entscheiden sollte.
»Nun, warten wir das Urteil der Experten ab«, erklärte Bony.
»Ich nehme an, daß nicht Anderson, sondern ein
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