Todeszeichen: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
sich gegen den Türrahmen und ließ ihn noch ein paar Sekunden schmoren, bevor sie sagte: »Habe ich alles meinem Exmann zu verdanken.«
»Sie waren verheiratet?«
Sie fand seine Überraschung bemerkenswert. Also hatte er sich doch nicht so gut über seine neuen Kollegen informiert, wie sie angenommen hatte. »Ist schon länger her. Wegen seines Vermögens bestanden seine Eltern auf einem Ehevertrag, setzten ihr Vertrauen dabei aber leider in die falsche Person. Er hat mich im großen Stil betrogen und dafür bezahlt.« Sie zuckte die Schultern.
»Ich wünschte, ich wäre genauso klug gewesen. Ich meine, was den Ehevertrag angeht.«
»Geschieden?«, fragte Jennifer.
»Vor vier Jahren. Artete ziemlich aus.« Das Thema versetzte seiner Stimmung einen empfindlichen Dämpfer. »Haben Sie Kinder?«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie?«
»Eine Tochter, die dank ihrer Mutter davon überzeugt ist, dass ich der Teufel in Person bin.«
Jennifer wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. »Hört sich übel an.«
Er nickte. »War es auch. Das Einzige, was meine werte Ex davon abgehalten haben dürfte, mich mit falschen Anschuldigungen zu diskreditieren, war die taktische Überlegung, dass sie finanziell mehr davon hat, wenn ich meinen Job behalte.«
Jennifer fragte sich unwillkürlich, ob er seiner Frau einen Grund dafür gegeben hatte, ihn zu hassen. Für gewöhnlich gab es für derartige Rachefeldzüge irgendeinen, wenn auch nicht unbedingt für jedermann nachvollziehbaren Grund.
Es ging sie jedoch nichts an, und es war außerdem auch nichts, womit sie sich beschäftigen wollte. Sie hatte sich in dieser Nacht schon die Klagen eines anderen Mannes angehört, die von Marcel, dessen Ehe allerdings gerade erst im Begriff war, vor die Hunde zu gehen.
Immerhin hatte sie jetzt eine Vorstellung davon, warum Grohmann die Nacht von Freitag auf Samstag offenbar mit Recherchen zu ihrem Fall verbracht hatte. Sie lenkte das Thema auf den eigentlichen Grund für sein Kommen. »Was ist auf der Festplatte?«
»Die komplette Fotosammlung zu unserem Fall«, antwortete der Staatsanwalt. »Ich bin sämtliche Fotos noch einmal in Ruhe durchgegangen und habe etwas entdeckt. Eine mögliche Verbindung zwischen unseren Opfern.«
Jennifer konnte ihr Erstaunen nicht verbergen. Sie hatten über die Monate Tausende Fotos angesammelt. Es dauerte schon Stunden, sie einer einfachen Sichtung zu unterziehen, ohne dabei sonderlich auf Details achten zu können.
Jetzt, im Licht des Wohnzimmers, war es offensichtlich, dass der Staatsanwalt in dieser Nacht kein Auge zugetan hatte. Seine Haut war bleich, dunkle Schatten lagen unter seinen Augen, und seine schwarzen Haare standen noch ungezähmter als gewöhnlich von seinem Kopf ab.
Jennifers Puls beschleunigte sich, als ihr die Bedeutung seiner Worte bewusst wurde.
Was hatte Grohmann entdeckt? Welche Verbindung?
Wenn er morgens um fünf vor ihrer Wohnungstür auftauchte, musste es mehr als ein vager Verdacht sein. Allerdings brachte Schlafentzug auch manches hervor, was in den Augen eines ausgeschlafenen Betrachters keinerlei Bestand mehr hatte.
»Schießen Sie los«, forderte sie ihn mit einer Geste in Richtung Sofa auf.
Doch er spannte sie auf die Folter. »Das muss ich Ihnen zeigen. Sie müssen es vor Augen haben, ansonsten wird es schwierig zu erklären.« Wie zur Erinnerung wedelte er erneut mit der Festplatte.
»Ernsthaft? Sie könnten es immerhin versuchen.«
Er schüttelte den Kopf.
Jennifer seufzte ungeduldig, bedeutete ihm aber, ihr zu folgen. »Sie hätten die Festplatte nicht mitbringen müssen. Ich habe alles Wichtige zu dem Fall hier.«
Grohmann folgte ihr um die Ecke in den hinteren Teil des Raums. Als sie das Licht in diesem Bereich anschaltete, stieß er hörbar die Luft aus.
Ein großer Schreibtisch thronte, gesäumt von Aktenschränken, in der Mitte des Zimmers. Die Wände waren, einer Kopie ihres Büros im Revier gleich, mit Informationen zu dem Fall übersät, wenn auch nicht ganz so penibel sortiert. Auf ein Whiteboard hatte sie wahllos Gedanken und Informationen gekritzelt und teilweise zu kleinen Diagrammen verbunden. Neben der Computertastatur, vor der gleich drei Flachbildschirme standen, stapelten sich Akten, Ausdrucke und Fotos. Dazwischen standen benutzte Kaffeetassen herum.
Es konnte kein Zweifel daran bestehen, wo Jennifer Leitner den Hauptteil ihrer ohnehin knapp bemessenen Freizeit verbrachte.
»Ich sehe schon, Sie haben tatsächlich alles hier«, murmelte
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