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Todeszeit

Todeszeit

Titel: Todeszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Bereich, der neuerdings als »Humanwissenschaften« bezeichnet wurde, um einen schicken Gegenbegriff zur Naturwissenschaft zur Hand zu haben. In diesem Ambiente konnte eine Mathematikerin wohl tatsächlich so lästig fallen wie ein Steinchen im Schuh.
    »Ich habe mir gerade einen Scotch mit Soda gemixt«, sagte sein Vater. »Möchtest du auch etwas zu trinken?«
    »Nein, danke, Sir.«
    »Hast du gerade Sir zu mir gesagt?«
    »Tut mir leid, Daniel.«
    »Eine bloße biologische Verwandtschaft …«
    »… sollte noch keinen sozialen Status implizieren«, vollendete Mitch.
    An ihrem jeweils dreizehnten Geburtstag war von den fünf Kindern der Raffertys erwartet worden, ihre Eltern
nicht mehr Mom und Dad zu nennen, sondern sie beim Vornamen zu rufen. Mitchs Mutter Katherine wurde lieber Kathy genannt, doch sein Vater lehnte es strikt ab, mit Danny statt mit Daniel angeredet zu werden.
    Als junger Mann hatte Dr. Daniel Rafferty sehr ausgeprägte Ansichten darüber gehabt, wie Kinder zu erziehen waren. Kathy, die weniger feste Vorstellungen hatte, war von seinen unkonventionellen Theorien fasziniert und neugierig gewesen, ob sie funktionieren würden.
    Einen Moment lang standen Mitch und Daniel im Flur. Daniel schien unsicher zu sein, wie es weitergehen sollte, doch dann sagte er: »Komm, schau dir mal an, was ich mir gerade geleistet habe.«
    Sie kamen durch ein geräumiges Wohnzimmer, das mit Tischen aus Edelstahl und Glas, grauen Ledersofas und schwarzen Sesseln ausgestattet war. Auch die Kunstwerke an den Wänden waren schwarz-weiß, einzelne farbige Linien und Flächen ausgenommen: hier ein blaues Rechteck, da ein türkisfarbenes Quadrat, dort zwei Winkel in senfgelb.
    Daniel Raffertys Schuhe klackten über das Mahagoniparkett. Mitch folgte auf leisen Sohlen.
    Im Arbeitszimmer zeigte Daniel auf seinen Schreibtisch: »Das ist der hübscheste Scheißhaufen in meiner Sammlung. «

17
    Die Einrichtung des Arbeitszimmers war im selben Stil gehalten wie das Wohnzimmer. Zusätzlich war auf beleuchteten Regalen eine Sammlung polierte Steinkugeln zur Schau gestellt.
    Auf dem Tisch stand in einem dekorativen Bronzeständer die neueste Kugel, die etwas größer als ein Baseball war. Durch das satte Kupferbraun ihrer Oberfläche zogen sich scharlachrote, gelb gesprenkelte Adern. Ein Laie hätte das Objekt wohl für ein Stück exotischen Granit gehalten, das geschliffen und poliert worden war, um seine Schönheit zur Geltung zu bringen. In Wirklichkeit handelte es sich um Dinosaurierkot, der im Lauf der Zeit unter hohem Druck versteinert war.
    »Die Mineralienanalyse hat ergeben, dass es von einem Fleischfresser stammt«, sagte Mitchs Vater.
    »Ein Tyrannosaurus?«
    »Der Größe nach zu urteilen, dürfte es sich eher um eine kleinere Spezies handeln.«
    »Ein Gorgosaurus?«
    »Wenn es aus Kanada stammen würde, also aus der Oberen Kreidezeit, dann wäre es vielleicht von einem Gorgosaurus. Man hat es jedoch in Colorado gefunden.«
    »Oberer Jura?«, fragte Mitch.
    »Genau. Es ist also wahrscheinlich Ceratosaurus-Kot.«
    Während sein Vater ein Glas Scotch mit Soda vom Tisch nahm, trat Mitch zu den Regalen mit der Sammlung.
    »Vor ein paar Tagen habe ich mit Connie telefoniert«, sagte er.

    Mit einunddreißig Jahren war Connie seine älteste Schwester. Sie lebte in Chicago.
    »Schuftet sie immer noch in diesem Backshop?«, fragte sein Vater.
    »Ja, aber der gehört ihr inzwischen selbst.«
    »Soll das ein Witz sein? Aber nein, natürlich. Das passt zu ihr. Wenn die mit einem Fuß in Morast tritt, dann zieht sie ihn nicht wieder raus, sondern watet einfach weiter.«
    »Sie sagt, es macht ihr Freude.«
    »Das würde sie immer sagen, egal, was auch geschieht.«
    Connie hatte einen Universitätsabschluss in Politologie gemacht, bevor sie sich unvermittelt in die freie Marktwirtschaft gestürzt hatte. Manche waren angesichts dieser radikalen Kehrtwendung verblüfft gewesen, aber Mitch hatte Verständnis dafür.
    Seit er die Sammlung aus polierten Dinosaurierkotbrocken zuletzt gesehen hatte, war sie deutlich angewachsen. »Wie viele besitzt du inzwischen, Daniel?«, fragte er.
    »Dreiundsiebzig. Außerdem bin ich an vier weiteren herrlichen Exemplaren dran.«
    Manche der Kugeln hatten einen Durchmesser von gerade einmal fünf Zentimetern. Die größten waren so groß wie ein Bowlingball.
    Farblich dominierten aus naheliegenden Gründen Braun-, Gold- und Kupfertöne. Im Licht der Strahler funkelten sie in allen möglichen

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