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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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drückte. »Du hättest nie gedacht, dass ich mir den unter den Nagel reiße, stimmt’s?«, flüsterte sie.
    Überrascht entzog er sich ihr. Sie lächelte ihn verschmitzt an, und er lächelte unwillkürlich zurück. Sie ist eine ernst zu nehmende Gegnerin, dachte er. Der würde ich nur ungern in einer dunklen Gasse begegnen.
    »Glückwunsch«, sagte er. »Bud ist ein prima Kerl.«
    »Oh, ich glaube, den besten Fang habe ich gemacht«, sagte Bud und legte den Arm um Missys schlanke Taille.
    »Zweifellos«, sagte sie und zeigte ihr strahlendes Lächeln.
    Und sie ist bereits im Grundbuch eingetragen, dachte Joe. Ihr gehört die Hälfte dessen, was wir sehen, und wir sehen längst nicht alles. Sie hat sich wirklich ordentlich was unter den Nagel gerissen.
    Als Nächstes begrüßte er Marybeth, die das Gespräch genau verfolgt hatte.
    »Du siehst wunderbar aus«, sagte Joe.
    »Zum Glück ist es vorbei«, formte sie lautlos mit den Lippen, und er nickte.
    »Willkommen in der Familie«, sagte Bud nun zu Sheridan.
    Joe warf ihm einen strengen Blick zu.
    »Hat sie das wirklich gesagt, Joe?«, fragte Marybeth später, als sie mit ihren Vorspeisentellern an einem Tisch unter den Bäumen saßen. Er hatte gewartet, bis Sheridan und Lucy ihre Freundinnen gefunden hatten, ehe er seiner Frau von Missy erzählte.
    »Wort für Wort.«
    Marybeth schüttelte den Kopf und musterte Joe genau, um festzustellen, ob er sie nicht auf den Arm nahm. Schließlich sagte sie: »Sie ist schon seltsam, oder?«
    »Das war sie immer. Und wie du das überstanden hast, begreife ich nicht.«
    Sie tätschelte ihm lächelnd die Hand. »Ich manchmal auch nicht.«
    Joe nahm einen Schluck aus der Bierflasche, die er einer mit Eis aufgefüllten Viehtränke entnommen hatte.
    »Ihr zwei habt ein merkwürdiges Verhältnis«, fuhr sie fort und sah über den Rasen zu ihrer Mutter.
    »Wir haben gar kein Verhältnis, würde ich sagen.«
    Missy hatte nie ein Geheimnis aus ihrer Überzeugung gemacht, Marybeth habe unter ihren Möglichkeiten geheiratet. Anstatt sich den Arzt, Immobilientycoon oder US -Senator zu angeln, hatte sich ihre so vielversprechende Tochter mit Joe Pickett eingelassen, einem Jagdaufseher in Wyoming, der im Jahr nur sechsunddreißigtausend Dollar verdiente. Aus Missys Vorstellung einer Karriere Marybeths als Firmenanwältin oder Politikergattin war also nichts geworden. Schlimmer noch: Marybeth war bei Joe geblieben, als der in den ersten Ehejahren von einem Dienstort zum anderen gezogen war, ehe er Jagdaufseher des Bezirks Saddlestring wurde. Dann waren Sheridan und Lucy zur Welt gekommen, und in Missys Augen war das Leben für ihre Tochter praktisch gelaufen. Aufgrund von Vorfällen, die mit Joe und seiner Arbeit zu tun hatten, war Marybeth verwundet worden und konnte keine Kinder mehr bekommen. Dann hatten sie ihre Pflegetochter verloren. All das musste enttäuschend für Missy gewesen sein, vermutete Joe. Da war sie nun das beste Beispiel dafür, wie man sich hochheiratet, indem man jeden Gatten für einen noch wohlhabenderen und noch angeseheneren Mann sitzen lässt, und ihre Tochter begriff einfach nicht, wie der Hase lief. Indem sie Bud Longbrake vor Marybeths Augen heiratet, will Missy ihr geradezu vorführen, wie man es anpacken muss, überlegte Joe.
    Joe und Missy wussten beide, dass Marybeth nach wie vor Leidenschaft, Intelligenz, Schönheit und Ehrgeiz besaß. Aber da war auch eine wachsende Schwermut in ihr, gegen die sie ankämpfte.
    »Sieh dir Buds Kinder an.« Marybeth wies mit dem Kopf auf einen Tisch, der so weit abgerückt war, dass er gerade noch im Schatten stand. »Sie wirken einfach nicht glücklich. Aber gaff nicht rüber.«
    Joe setzte sich anders hin. Aus seiner früheren Ehe hatte Bud einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn – Bud junior – war für die Hochzeit aus Missoula eingeflogen, wo er als Straßenmusikant und ewiger Student der Universität Montana lebte. Bud junior trug schlabberige Cargo-Shorts, Ledersandalen, ein T-Shirt und einen missmutigen Gesichtsausdruck. Missy hatte Joe und Marybeth erzählt, er habe als Jugendlicher zwar nie mit der Ranch zu tun haben wollen, warte aber durchaus darauf, dass Bud senior sie ihm eines Tages vermachen oder das Anwesen verkaufen würde. Auch nach Abzug der Steuern würde ihm ein gewaltiges Erbe zufallen. Ähnlich verhielt es sich auch mit Buds Tochter Sally: Dreimal verheiratet (fast wie ihre neue Stiefmutter, von der sie in diesem Rennen eben erst überholt worden war),

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