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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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entfernen ließen. Er öffnete die Schranktür.
    Nun wusste er, was vor sich ging. Er seufzte. Nebenan packte jemand seine Sachen, und da die Bügel nicht herausnehmbar waren, schlugen sie immer dann, wenn etwas von ihnen heruntergezogen wurde, gegen die Schrankwand.
    Billig-Motels, dachte er. So billig, dass selbst das knauserige Wyoming die Übernachtung seiner Beamten voll übernimmt. Marybeth wähnte ihn vermutlich in einer viel besseren Unterkunft. Vielleicht sollte er sie jetzt gleich anrufen und ihr erzählen, wie toll es hier war.
    Beschämt über seine Gedanken schüttelte er den Kopf, nahm die Notizbücher und Unterlagen vom Bett, verstaute sie in seiner Aktentasche, putzte sich die Zähne, legte seine Sachen zusammen, schaltete das Licht aus und kroch ins Bett.
    Und da wurde ihm plötzlich klar, was ihm an Wills Büro so seltsam erschienen war. Nach allem, was Joe über ihn wusste, war Will Jensen ein äußerst sorgfältiger Mensch gewesen. Seine Aufzeichnungen waren präzise, detailliert und gut durchdacht. Sein Büro war spartanisch und rein zweckmäßig eingerichtet, ohne jeglichen Zierrat und persönliche Gegenstände. Will war für seine Ausgeglichenheit und Ruhe bekannt. Er war vermutlich wie Joe, der – obwohl bisweilen nervös oder schlecht gelaunt – einfach über nichts hinwegsehen konnte und so lange weitermachte, bis alles tadellos in Ordnung war. Sollte Will vorgehabt haben, sich umzubringen, hätte er den Schreibtisch nicht verlassen, ohne seine Unterlagen einzuräumen, die halb getrunkene Limo wegzuwerfen und den Computer auszuschalten. Hätte er nicht zumindest ein wenig aufgeräumt, wenn er fest entschlossen gewesen wäre, einen solchen Vorsatz in die Tat umzusetzen?

10. KAPITEL
    Als O. R. »Bud« Barnum, Ex-Sheriff von Twelve Sleep County, am Freitagvormittag an seinem Stammplatz in Stockman’s Bar saß, trat ein groß gewachsener Fremder ein, ließ die Tür hinter sich zuschlagen und stand reglos da, bis seine Augen sich ans Halblicht gewöhnt hatten. Es war elf Uhr. Barnum kannte den Mann nicht, und das wollte etwas heißen. Barnum kannte jeden.
    Nur selten kam jemand einfach nur so nach Saddlestring. Die Kleinstadt lag zu weit abseits der Fernstraßen. Der Ex-Sheriff beobachtete die Besucher seit über dreißig Jahren und konnte sie normalerweise rasch einschätzen. Meist fielen sie in bestimmte Kategorien: Naturfreunde, Touristen, Bohrarbeiter, Landarbeiter auf Jobsuche oder junge Außendienstmitarbeiter, die einem ungünstigen, weitläufigen Bezirk zugeteilt worden waren. Dieser Mann gehörte in keine dieser Gruppen. Die Art, wie er sich bewegte, und der Eindruck, dass er sich in seiner Haut äußerst wohlzufühlen schien, gaben ihm – wie Barnum fand – etwas Bedrohliches.
    Der große Mann war um die sechzig, hatte dichtes graues Haar und ein kantiges Gesicht. Er war schlank und breitschultrig, und Barnum entging nicht, wie sich seine dunkelbraune Lederjacke über seinem Rücken spannte, als er sich auf einen Hocker setzte. Nicht zuletzt sein flacher Bauch machte Barnum misstrauisch. Ein Polizist, vermutete er, oder einer vom Militär. Der Mann hatte diese gewisse Ausstrahlung, stocksteif und völlig humorlos. Barnum fragte sich, ob der Fremde über ihn das Gleiche dachte. Ihm war bewusst, dass er tatsächlich aussah wie ein Polizist. Schon als Baby habe er so ausgesehen, hatte ihm seine Mutter einmal gesagt. Bereits damals habe er diesen argwöhnischen, durchdringenden Blick und die hängebackige Galgenvogelmiene gehabt, die zynisch zu fragen schien: » Und was kommt als Nächstes? «
    Barnum hatte den Roundup gelesen und Kaffee getrunken. Er verabscheute die Lokalzeitung und das bittere Gebräu, aber so sah nun mal sein Alltag als Pensionär aus. Nach wie vor begann er den Tag im Schnellrestaurant, so wie er es als Sheriff getan hatte, trank Kaffee, informierte sich über die Neuigkeiten aus der Region, schnappte Tratsch und Gerüchte auf und aß mit den anderen Mitgliedern der »Morgenrunde« Brötchen. Diesen Männern gehörte ein Großteil von Saddlestring und Twelve Sleep County. Die meisten waren nun ebenfalls im Ruhestand, pflegten aber weiterhin ihre lokalen Geschäftsinteressen. Guy Allen gehörte das Schnellrestaurant, und er war Mehrheitseigner von Stockman’s Bar. Erst vorhin hatte er davon gesprochen, wie angenehm das Wetter in Arizona sei. Er werde abreisen und in sein Haus in Arizona übersiedeln, sobald es in Wyoming Winter wurde. Die halbe Morgenrunde würde

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