Todfeinde
es ihm gleichtun. Barnum, der noch immer das ganze Jahr über in Saddlestring lebte – und daran würde sich wohl auch nichts mehr ändern – , verstummte stets, wenn über das Wetter in Arizona gesprochen wurde. Jegliche Aussicht, sich ein Winterdomizil an einem warmen Ort zu kaufen, war dahin, seit er bei einer Grundstücksspekulation im Vorjahr seine Pension verloren und der anschließende Skandal ihn seine Stellung und Reputation gekostet hatte. Von seiner Karriere war nur ein goldener Kugelschreiber übrig geblieben, den seine Hilfssheriffs ihm zum Abschied geschenkt hatten und auf dem es hieß: Sheriff Barnum für 28 Dienstj. Die Abkürzung, so McLanahan, habe sein müssen, denn der Graveur habe nicht genug Platz gehabt.
Barnum war nur zu bewusst, wie anders die Morgenrunde verlief, seit er nicht mehr Sheriff war. Früher hatten die Männer zugehört, abgewartet, geschwiegen, wenn er geredet hatte. Wenn er sich beklagte, hatten sie mitfühlend genickt. Inzwischen merkte er, dass sie sich Blicke zuwarfen, wenn er sprach, und hofften, dass er bald fertig wurde. Mitunter hatte der Bürgermeister ihn unterbrochen und das Thema gewechselt. Er war nur noch ein x-beliebiger Mistkerl im Ruhestand, der ihnen die Zeit stahl. Ein alter Sack, einer von denen, die Barnum früher so lange abschätzig angestarrt hatte, bis sie ihren Kaffee nahmen und gingen.
Wenn sich die Morgenrunde gegen halb zehn zerstreute, ging Barnum die Hauptstraße hinunter, ließ sich in Stockman’s Bar nieder und blieb dort den ganzen Tag bis weit in den Abend hinein. Wer mit ihm reden wollte, wusste, wo er zu finden war. Falls bereits jemand auf seinem Platz saß – dem Hocker an der Wand ganz am Ende des Tresens – , verscheuchte der Barkeeper ihn bei Barnums Ankunft mit den Worten: »Das ist Sheriff Barnums Büro.«
Barnum gaffte den Neuankömmling nicht an, sondern warf ihm nur hin und wieder einen kurzen Blick über die Ränder seiner Lesebrille zu. Der große Mann bestellte einen Kaffee, sah sich um, während er in kleinen Schlucken trank, und ließ die alte, astige Kiefernholz-Vertäfelung und die verspiegelte Bar auf sich wirken, die Köpfe mächtiger Geweihträger, die ihn mit leerem Blick anstarrten, und die Schwarzweißfotos von Rodeos an der Wand hinter ihm. Das Lokal war ein enger, schlauchförmiger Raum, der gut zur Hälfte von der Bar eingenommen wurde, während es hinten bei den Toiletten einige Nischen und einen Billardtisch gab. Aus der Jukebox kam Johnny Cashs »Don’t Take Your Gun to Town«.
Als der Barmann dem Fremden Kaffee nachschenkte, fragte der ihn mit gedämpfter Stimme etwas. Die Musik war zu laut, um zu verstehen, worüber sie redeten. Dann stand der große Mann auf und nickte ihm zu. Er nickte zurück.
»Hübsche Kleinstadt hier«, sagte der Fremde auf dem Weg zur Toilette.
»Sieht nicht nach einem Ort aus, der einen fertigmachen könnte, oder?«, gab Barnum zurück.
Der Fremde zögerte kurz, sah ihn merkwürdig an und ging weiter.
Kaum war die Toilettentür hinter ihm zugefallen, glitt Barnum vom Hocker und lief am langen Tresen entlang nach draußen. Die kalte Sonne blendete ihn kurz, und er hob schützend den Arm vors Gesicht. Der neue Geländewagen des Fremden parkte schräg vor der Tür. Barnum ging eilig um ihn herum und notierte sich das Kennzeichen aus Virginia. Der Dreck an den Kotflügeln kam vermutlich von unbefestigten Nebenstraßen; die Rücksitze waren umgeklappt, um Reisetaschen, Ausrüstungskisten und einen Gewehrkoffer aus Edelstahl unterzubringen.
Barnum kehrte in die Bar zurück, setzte sich auf seinen Platz und winkte den Barkeeper heran, einen halbblinden Ex-Rodeotrainer namens Buck Timberman, der ein berühmter Bullenreiter gewesen war, bis ein Stier ihm auf den Kopf getreten, den Schädel gebrochen und einen Hirnschaden zugefügt hatte. Noch immer trug er seine Gürtelschnallen von den US -Meisterschaften, jeden Wochentag eine andere. Barnum mochte ihn seiner unerschütterlichen, ja einfältigen Treue wegen, und Timberman nannte ihn noch immer Sheriff.
»Umstellzeit«, sagte Barnum.
»Es ist erst halb zwölf«, gab Timberman mit Blick auf seine Armbanduhr zurück. »Bis Mittag ist es noch eine halbe Stunde hin.«
»An der Ostküste ist es halb zwei«, knurrte Barnum. »Das sind anderthalb Stunden verschwendete Trinkzeit.«
Timberman runzelte die Stirn, zapfte ein Bier und goss ihm einen Schnaps ein. »Warum Ostküstenzeit?«
»Weil unser neuer Freund daran gewöhnt ist. Haben
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