Todfeinde
Morgen roch nach brennendem Benzin, Öl, Plastik und schmelzendem Gummi. Als der Löschzug eintraf, war sein Wagen nur noch ein glühendes dunkles Gerippe, auf das die Feuerwehrleute ihre Schläuche richteten. Kondenswolken trieben über den Parkplatz und brachten Joe zum Würgen, als er sich unter ihnen wegducken wollte.
Als Joe um den Pick-up herumging und erstaunt feststellte, dass einzig der Knauf des Ganghebels unversehrt schien, tauchte Randy Pope auf, der Stellvertretende Direktor seiner Behörde.
»Wie ist das passiert?«, wollte er wissen, berührte den Fensterrahmen und zuckte von dem heißen Metall zurück.
»Keine Ahnung. Ich bin heute Morgen mit dem Wagen zur Arbeit gekommen und hab ihn auf dem Parkplatz abgestellt. Dann hat er Feuer gefangen.«
»Während Sie im Auto saßen?«
Joe schüttelte den Kopf. »Ich war am Schreibtisch.«
Niemand hatte den Brand ausbrechen sehen. Die wenigen Angestellten, die schon im Gebäude waren, hatten in der Kantine den Geburtstag eines Biologen gefeiert. Keiner war auf dem Mitarbeiterparkplatz gewesen, und von der Straße aus war dieser nicht einsehbar.
»Roch es in letzter Zeit angebrannt, wenn Sie den Wagen fuhren?«, fragte Pope. »Haben die Messinstrumente irgendetwas Auffälliges angezeigt? Haben Sie den Motor heißlaufen lassen? Nagelneue Neunundzwanzigtausend-Dollar-Autos fangen nicht einfach Feuer!«
»Nein, nichts dergleichen.« Aber Joe dachte daran, wie desorientiert und benommen er an diesem Morgen gewesen war. Vielleicht war ja irgendein Kabel defekt gewesen, und er hatte es nicht bemerkt.
Pope schüttelte den Kopf. »Also«, begann er rhetorisch, »ist das nicht Ihr dritter Dienstwagen mit Totalschaden?«
»Ich habe nicht das Geringste damit zu tun.« Joe war sich bewusst, wie wenig überzeugend das klang. »Er hat einfach Feuer gefangen und ist ausgebrannt.«
»Wann war das Fahrzeug zuletzt zur Inspektion?«
Joe überlegte. »Als der Karosserieschaden ausgebessert wurde … glaube ich. Das Wartungsbuch ist mitverbrannt.«
Pope sah ihn herablassend an. »Drei Autos in fünf Jahren – das ist auch eine Art von Rekord, schätze ich.«
Ruhig bleiben, sagte sich Joe. »Vielleicht hat jemand Feuer gelegt.«
»Ach? Und wen haben Sie so verärgert, dass er das täte? Sie sind noch keine Woche hier!«
Pi Stevenson, dachte er. Oder Smoke Van Horn. Oder die reiche Frau, die das Wild überfahren hat. Don Ennis … Vielleicht sogar Sheriff Tassell. Doch er sagte: »Ich weiß es nicht.«
Vom Bürofenster aus beobachtete Joe, wie ein Abschleppwagen seinen ausgebrannten Pick-up an den Haken nahm und wegfuhr. Er fühlte sich zutiefst unglücklich, ja fast erbärmlich, und vermisste seine Familie, sein Haus, seine Pferde, seinen Hund. Jetzt hatte er auch noch seinen Pick-up verloren und mit ihm sein Handy sowie seine Waffen und Aufzeichnungen. Außerdem fühlte er sich noch immer seltsam.
»Wie geht’s, Joe?«
Er drehte sich um. Mary Seels stand in der Tür.
»Kommen Sie rein. Ich warte nur noch darauf, dass man mir auch die Kleider vom Leib reißt und mich kastriert.«
Sie lachte nicht, sondern hielt einen Schlüsselbund hoch. »Das sind die Ersatzschlüssel von Wills Wagen. Nehmen Sie doch seinen alten Pick-up. Soweit ich weiß, ist er tipptopp.«
Joe verzog das Gesicht. Die Ironie war unübersehbar. »Ich habe den Job eines Toten, das Haus eines Toten, die Probleme eines Toten und ich wurde mit einem Toten verwechselt. Und jetzt habe ich auch noch den Pick-up eines Toten.« Er überging, dass er zudem seine Asche in einer Urne in den geretteten Satteltaschen hatte.
Sie antwortete nicht.
Er nahm die Schlüssel und bedankte sich, doch sie ging nicht, sondern blieb in der Nähe der Tür. Er beschloss, sie diesmal nicht zu drängen. Nach ein paar Sekunden kam sie ins Büro zurück und zog die Tür hinter sich zu.
»Joe, ungefähr eine Woche vor seinem Tod hat Will etwas zu mir gesagt.«
Er setzte sich.
»Als er am Morgen ins Büro kam, war er in ziemlich schlechter Verfassung«, fuhr sie fort. »Ich nahm an, er habe einen Kater, und war offen gestanden nicht gerade nett zu ihm. Wenn ich nun aber darüber nachdenke, glaube ich, dass er krank oder äußerst niedergeschlagen war.
Ich schätze, ich habe ihn mit einem sehr kalten Blick bedacht, als ich ihm die eingegangenen Nachrichten gab. Er stand einfach nur da. Er wirkte so einsam, aber damals hatte ich kein Mitleid mit ihm.«
Mary hielt inne, holte tief Luft, rang die Hände und sah sich um,
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