Todfeinde
dem Empfangstresen. Als er bei Reed vorbeikam, blickte er zu ihm rüber, doch der tat, als sähe er ihn nicht. Ein neuer Hilfssheriff, an dessen Namen er sich nicht erinnerte, beobachtete mit verächtlicher Miene, wie er die Dienststelle durchquerte. Barnum betrat sein altes Büro und schloss die Tür vernehmlich hinter sich.
McLanahan schaute auf und wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Vor meinem alten Schreibtisch, dachte Barnum.
»Was führt Sie zu mir, Bud?«
Barnum setzte sich und war froh, endlich den Hosenbund loslassen zu können.
»Ich hatte erwogen, Ihnen etwas zu melden«, erwiderte er mit rauer Stimme, »aber wenn ich darüber nachdenke, wie man mich hier bisher behandelt hat, frage ich mich langsam, warum ich meine Zeit darauf verschwende.«
McLanahan sah seinem alten Boss in die Augen und lächelte kühl. »Wir nehmen die Sicherheit inzwischen viel ernster als früher, Bud. Uns bleibt keine andere Wahl.«
»Stovepipe, dieser Mistkerl, hat mir den Gürtel abgenommen!«
»Tut mir leid, aber ich hab ihn angewiesen, keine Ausnahmen zu machen.«
»Nicht mal bei mir?«
McLanahan hob die Arme, um ihm zu bedeuten, da könne man nichts machen.
»Warum haben Sie Wendy abgelöst? Ich hatte sie für diesen Schreibtischjob empfohlen.«
»Die Dinge ändern sich, Bud«, erwiderte McLanahan und fuhr sich durchs lockige Haar. »Als Sheriff muss ich schwere Entscheidungen treffen.«
»War es eine schwere Entscheidung, sich eine Dauerwelle verpassen zu lassen?«
McLanahan beugte sich vor und kniff die Augen zusammen. »Bud, ich bemühe mich zwar, höflich zu sein … «
»Was hat das gekostet? Dreißig Mäuse? Vierzig? Sie hätten sich genauso gut das Haar nass machen und sich in den Wind stellen können.«
McLanahan sah weg. »Ich bin momentan recht beschäftigt. Haben Sie ein konkretes Anliegen?«
Barnum saß schweigend da und kochte vor Zorn. Je mehr er darüber nachdachte, desto wütender wurde er.
»Ich hab Sie als Nachfolger aufgebaut. Ich hab über all den Mist, den Sie gebaut haben, hinweggesehen und Ihnen alles beigebracht, was Sie wissen. Und jetzt, wo Sie meinen Job machen, haben Sie vergessen, wem Sie ihn verdanken. Wie wär’s mit etwas Respekt? Mit ein wenig Anerkennung?«
McLanahan wandte sich Barnum wieder zu und sah ihm in die Augen. »Ihr Abgang war nicht gerade schön. Da kam vieles ans Licht. Sie können froh sein, dass ich diesen Dingen nach meiner Wahl nicht weiter nachgegangen bin.«
Jetzt platzte Barnum endgültig der Kragen.
»Welchen Dingen hätten Sie denn nachgehen wollen?«
»Bud, brüllen Sie nicht so, sonst lass ich Sie rauswerfen.«
»Sie lassen mich … was ?«, zischte Barnum und erhob sich. »Ich fasse es nicht! Sie undankbares kleines Arschloch.«
Der Sheriff funkelte wutentbrannt zurück, und Barnum beschloss, es anders zu versuchen. »Hören Sie, McLanahan …«
» Sheriff McLanahan – und jetzt verschwinden Sie.«
Barnums Wut kochte erneut auf, und er sah, wie seine Hände zitterten. Wie einfach es wäre, über den Tisch zu hechten und dem Kerl an die Gurgel zu gehen!
»Ich gehe«, flüsterte er. »Ich war mit guten Absichten gekommen und wollte Sie vor etwas warnen, aber anscheinend wissen Sie inzwischen ja alles besser … und können auf meine Hilfe gut verzichten.«
»Falls Sie ein Verbrechen melden wollen, setzen Sie sich mit Hilfssheriff Reed zusammen und informieren Sie ihn. Sie wissen ja, wie’s geht«, sagte McLanahan ungerührt.
Barnum wandte sich ab, verließ das Büro und spürte, wie Reed, der neue Hilfssheriff und Donna ihn musterten.
Lass es einfach passieren, dachte er. Soll der Mord doch geschehen. Sollen McLanahan und seine Clowns doch versuchen, den Fall zu lösen. Vielleicht erweisen Sie mir dann beim nächsten Mal mehr Respekt.
Als Barnum wieder auf seinem Hocker in Stockman’s Bar saß, zitterte er noch immer. Seine Wut war zu Selbstmitleid geworden. Als Timberman mit der Kaffeekanne auf ihn zukam, wies er nur auf die Flasche Jim Beam im Regal: »Einen Doppelten mit Wasser.«
Und als der Barkeeper auf die Armbanduhr sah, setzte er hinzu: »Hab dich nicht so – das ist nicht die einzige Bar in der Stadt.«
VIERTER TEIL
Vielerorts haben Jäger die ökologische Rolle der Raubtiere übernommen.
Michael Pollan: Das naturwidrige Konzept der Tierrechte
(in: The New York Times Magazine, 10. 11. 2002)
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
Bertolt Brecht: Die Dreigroschenoper.
26. KAPITEL
Auf der einen Seite des
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