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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ihnen gerade vorgeführt habe? Und wieso steckte die Kugel in der Decke, nicht in der Wand? Und wie konnte die Waffe einen derart heftigen Rückstoß haben, dass sie Will den Gaumen einschlug und zwei Zähne herausbrach, dann aber einfach direkt neben ihm auf den Boden fiel, anstatt zumindest auf der anderen Seite des Schreibtischs zu landen?«
    Er legte den Revolver hin, und Dr. Graves trat wieder ins Zimmer.
    »Ich glaube nicht, dass ich diese Fragen beantworten kann.«
    »Das kann ich auch nicht«, bekannte Joe.
    »Worauf wollen Sie also hinaus?«
    »Wurde die Waffe auf Fingerabdrücke untersucht?«
    »Ja, es sind noch Pulverreste davon zu sehen. An Lauf und Zylinder waren nur Wills Fingerabdrücke.«
    Joe sah sich den Revolver genauer an. »Was ist mit Griff und Abzug?«
    Graves räusperte sich. »An beidem haben wir keine Fingerabdrücke gefunden.«
    »Gar keine?«
    Kopfschütteln.
    »Also wurde die Waffe abgewischt?«
    »Das hab ich nicht gesagt. Der Abzug ist gerillt: Da bleiben keine Abdrücke zurück. Und das Holz am Griff ist geriffelt – auch von ihm lassen sich schlecht Fingerabdrücke nehmen.«
    »Aber der Revolver könnte abgewischt worden sein?«
    »Vielleicht, aber das ist unmöglich zu beweisen. Ich würde jedenfalls vor Gericht nicht bezeugen, dass die Waffe abgewischt wurde.«
    Joe lehnte sich zurück. »Reichen diese Fragen aus, um den Fall neu zu klassifizieren? Als möglichen Mord?«
    Der Mediziner machte ein ernstes Gesicht. »Sicher nicht. Dafür bräuchte ich weitere Anhaltspunkte. Aber lassen Sie mich darüber nachdenken.«

24. KAPITEL
    Nachdem er im Sportsman’s Café gefrühstückt hatte, saß Joe am frühen Mittwochmorgen an seinem Schreibtisch, und wieder stimmte etwas nicht mit seinem Kopf. Er hatte nicht geschlafen, denn kaum schloss er die Augen, begann sich alles zu drehen, und Bilder stürmten zusammenhanglos auf ihn ein: die Fotos vom Tatort; der Blick des Bären, der ihn hatte erstarren lassen; Stella Ennis mit geöffneten Lippen und blitzenden Zähnen. Und nun konnte er sich nicht auf die Unterlagen vor sich konzentrieren. Die Höhenlinien der topografischen Karte verschwammen, und die Liste von Jagdführern, Jagdlagern und Ortsangaben verschmolz zu einem einzigen Klecks. Auch vier Tassen Kaffee vermochten den Nebel nicht zu lichten.
    Das Bürogebäude würde erst in einer Stunde öffnen. Da er keinen Schlaf gefunden hatte, war er schon vor Tagesanbruch gekommen. Nachdem er sich im Toilettenspiegel betrachtet hatte – er hätte schwören können, dass mit seinen Augen etwas nicht in Ordnung war – , beobachtete er, wie die Morgensonne die Tetons grellrosa färbte. Der Anblick wirkte beinahe surreal und spiegelte seine Verfassung wider.
    Auf der Suche nach dem fehlenden Notizbuch hatte er das ganze Büro auf den Kopf gestellt. Doch weder hinter den Aktenschränken noch auf dem Boden zwischen den Hängeregistraturen war er fündig geworden. Sogar die Schubladen hatte er aus dem Schreibtisch genommen, doch außer einem Kaugummipapier war nichts zum Vorschein gekommen. Auch unter seiner Schreibtischunterlage und hinter der großen Landkarte und dem Schwarzen Brett war nichts zu finden.
    Am Morgen hatte auf dem Schreibtisch ein Umschlag gelegen, auf dem in eleganter Schrift sein Name stand. Da er nicht frankiert war, hatte ihn wohl jemand persönlich abgegeben. Joe zog eine große Karte daraus hervor und musste sie zweimal lesen. Es handelte sich um eine Einladung zu einem Empfang, der am Samstagabend im Haus von Don und Stella Ennis in Beargrass Village stattfinden sollte – und zwar für den Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten. Meine Güte, dachte Joe, der Vizepräsident!
    Die Einladung schloss mit der Formulierung »Um Antwort wird gebeten«, und darunter stand geschrieben: »Wenn Sie Ihr rotes Uniformhemd tragen, weiß ich, dass Sie reden wollen. Wenn nicht, lasse ich Sie in Ruhe. Aber Sie kommen!« Unterschrieben war der Zusatz mit »S.«
    Stella.
    Joe stellte sich Marybeths Reaktion vor, wenn er ihr von der Party erzählte. Es wäre schwer, ihr auszureden, er habe sich ohne sie so gut amüsiert wie nie zuvor.
    Später sah er auf seine Armbanduhr und überlegte, wann Marybeth wohl aufwachen würde. Er hatte sie am Vorabend nicht angerufen, weil er erst nach Mitternacht von Dr. Graves zurückgekehrt war. Todmüde hatte er sich eine Dose Spaghetti aufgemacht und dazu einen Bourbon mit Wasser getrunken. Er wollte ihr berichten, was er über den Tatort in Erfahrung

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