Todfeinde

gebracht hatte, und ihre Meinung dazu hören. Sie sah die Dinge oft aus Blickwinkeln, die er nicht bedacht hatte.
    Dann wollte er mit Mary sprechen, um ihr vielleicht noch etwas über Will Jensen zu entlocken, und danach mit den Pferden nach Norden zum Ausgangspunkt eines Trekkingpfads fahren, um für vier, fünf Tage in die Wildnis aufzubrechen und die Lager der Jagdführer zu kontrollieren. Er hatte Smoke Van Horn nicht vergessen, der ein berufliches Interesse daran zu haben schien, wann er ins Gelände aufbrach. Joe hatte seine Pläne mit niemandem besprochen und würde nur Mary und Marybeth davon berichten.
    Einige Tage allein in den Bergen unterwegs zu sein, würde am ehesten für einen klaren Kopf sorgen. Er wollte in dieser Zeit nicht nur die Jagdlager pflichtgemäß kontrollieren, sondern auch all das überdenken, was er seit seiner Ankunft über Will Jensens Tod erfahren hatte.
    Weil ich mich hier einfach auf nichts konzentrieren kann, überlegte er und erwog, zum Arzt zu gehen, kannte in Jackson aber keinen und wusste nicht, was seine Versicherung übernahm. Sollte er aber auch in der freien Natur Nächte wie die vorangegangene erleben, würde er sich nach seiner Rückkehr in die Stadt gründlich untersuchen lassen.
    Als Joe zum Hörer greifen wollte, um Marybeth anzurufen, klingelte das Telefon. Sheriff Tassell klang verärgert und sagte ihm, er rufe von unterwegs an und sei noch nicht im Büro. Auch Joe ärgerte sich, weil wieder einmal ein Gespräch mit seiner Frau schon im Vorfeld abgewürgt worden war.
    »Graves sagte mir, Sie denken, Will Jensen könnte ermordet worden sein«, sagte Tassell.
    »Ich habe Mutmaßungen angestellt …«
    »Genau davor hat man mich bei Ihnen gewarnt, verdammt«, unterbrach ihn der Sheriff. »Sie hatten sich bereit erklärt, mich auf dem Laufenden zu halten.«
    »Ich war erst nach Mitternacht wieder hier«, erwiderte Joe. »Hätte ich Sie etwa um die Uhrzeit noch anrufen sollen?«
    »Warum nicht? Graves hat das jedenfalls getan.«
    »Und was hat er Ihnen erzählt?«
    »Dass wir überlegen sollten, eine rechtsmedizinische Koryphäe einen Blick auf die Fotos werfen zu lassen.«
    »Also glaubt er, dass da was nicht stimmt?«, fragte Joe etwas überrascht. Er hatte irrtümlicherweise angenommen, Graves wolle Jensens Tod ebenso rasch abhaken wie Tassell.
    »Er ist sich nicht sicher, hat mir aber diesen Vorschlag gemacht. Besser gesagt: Er hat ihn mir aufgehalst. Denn natürlich muss er die Kosten für so einen Experten nicht aus seinem Etat bestreiten.«
    Joe lächelte säuerlich. »Darum geht es also? Vielleicht würde die Kriminalpolizei von Wyoming …«
    »Ich will nicht, dass die Kripo Wochen nach Jensens Tod hier antanzt«, erwiderte Tassell ungeduldig. »Nicht wegen einiger Fotos und weil Sie der Ansicht sind, der Revolver sei in einer bestimmten Schussposition unbequem zu halten. Mein Gott, warum sollte jemand, der so am Ende ist, dass er sich umbringen will, sich daran stören, es im letzten Moment seines Lebens unbequem zu haben?«
    »Es passt einfach nicht«, sagte Joe.
    »Und deshalb rollen Sie die Sache neu auf? Solange wir nur das haben, kann ich unser Geld nicht für einen teuren Fachmann von draußen ausgeben.«
    »Wollen Sie denn keine Gewissheit?«
    »Kommen Sie mir nicht auf diese Tour, Joe. Sie sind nicht besser als Graves.«
    »Und Sie sind der Sheriff. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.«
    Tassell stöhnte und stieß einen Fluch aus. »Gut, ich denk drüber nach. Aber diese Aufnahmen werden nirgendwohin geschickt. Wenn wir erst einmal den Vizepräsidenten wieder los sind und ich weiß, wie es um unseren Etat steht … «
    »Warum so lange warten?«
    »Weil ich es so will«, brüllte Tassell und legte auf.
    Joe hatte gerade die Landkarten für seinen Ausflug ins Gelände zusammengerollt und die eingegangene Post erledigt, als Mary Seels in seiner Bürotür auftauchte und sagte: »Ihr Pick-up brennt.«
    Das Einzige, was er retten konnte, waren die Satteltaschen, die er am Abend auf die Ladefläche gepackt hatte. Führerhaus und Motor brannten lichterloh und die Flammen loderten derart wild, dass Joe die zwei Biologen beinahe überhört hätte, die ihm vom ersten Stock aus zuschrien: » Hauen Sie ab, ehe der Wagen in die Luft fliegt! «
    Gleich darauf explodierte das Fahrzeug mit einem Knall, der den Boden beben ließ, doch da stand Joe bereits mit den angesengten Taschen an der Koppel. Eine schwarze Rauchsäule stieg auf und hing wie eine Wand in der Luft. Der