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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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aufgenommen worden. Ein besonders verstörendes Foto zeigte die Reste seines weggeschossenen Schädels von hinten. Und auf einer Nahaufnahme des Mundes waren die von der Kimme geschlagene Gaumenwunde und die herausgebrochenen Zähne, die nur noch an Fetzen vom Oberkiefer hingen, zu sehen.
    »Hilf mir, das durchzustehen, Gott«, flüsterte er.
    Als Joe sicher war, sich nicht übergeben zu müssen, machte er sich daran, den Rechtsmediziner aufzusuchen. Er trat mit bewusst schweren Schritten durch den gefliesten Flur, damit sein Kommen im Wohnzimmer bemerkt wurde.
    Graves hatte sich seinem Gast auf der Couch zugewandt. Vor ihnen standen große Kristallkelche, die mit Rotwein gefüllt waren. Wieder mied der Cowboy Joes Blick.
    »Dr. Graves, darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
    Der Mediziner wirkte verärgert. Seufzend stand er auf und folgte Joe ins Büro.
    »Warum gab es keine toxikologische Untersuchung und keine Autopsie?«, wollte Joe wissen.
    Bevor Graves antwortete, schnürte er seinen Morgenmantel enger. »Weil die Todesursache klar war: ein Kopfschuss, der vom Opfer selbst abgegeben wurde. Autopsien gibt es nur in begründeten Fällen. Wir wissen, dass er nicht an einem Herzinfarkt gestorben ist, Mr. Pickett. Was das anbelangt, gehe ich vor wie jeder andere Rechtsmediziner auch.«
    »Wir wissen also nicht, ob Will betrunken oder krank war?«
    »Nein.«
    »Gibt es irgendeine Möglichkeit, das jetzt noch festzustellen?«
    Graves sah Joe fragend an. »Sicher nicht, da der Tote eingeäschert wurde. Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Ich will wissen, warum er es getan hat.«
    Graves seufzte. »Hören Sie, ich bin ein mitfühlender Mensch, aber es ist nicht meine Aufgabe herauszufinden, warum sich jemand umgebracht hat. Ich habe zu ermitteln, wie das geschehen ist, und muss ein professionelles Urteil zur Todesursache abgeben. Sie scheinen nach etwas zu suchen, bei dem ich Ihnen einfach nicht helfen kann.«
    Joe rieb sich das Kinn. Er hatte den Arzt beim Reden genau beobachtet und nach einer verräterischen Geste oder einem falschen Ton gesucht, aber nichts dergleichen bemerkt.
    »Falls Sie sich also alles angeschaut haben … «, fuhr Graves fort, brauchte seinen Satz aber nicht zu beenden.
    »Gut.« Joe griff nach seiner Jacke.
    Graves stand in der Bürotür und wartete darauf, seinen Besucher zum Ausgang zu geleiten, als Joe plötzlich innehielt und die eingetütete Pistole in die Hand nahm.
    »Die dürfen Sie nicht mitnehmen.«
    »Das will ich auch nicht. Ich würde damit ohnehin nichts treffen. Aber mir ist gerade etwas eingefallen.«
    Graves hob die Augenbrauen.
    Joe setzte sich wieder, nahm den Griff der Waffe, streckte den Arm aus, richtete sie auf die Wand, beugte Ellbogen und Handgelenk und richtete den Revolver so auf sich, dass die Mündung nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war.
    »Was soll denn das?«, fragte Graves vorwurfsvoll und trat in den Flur zurück. »Das Ding ist noch immer geladen.«
    »Sehen Sie, wie lang der Lauf des Revolvers ist? Ich kann ihn mir kaum in den Mund stecken. Außerdem ist es eine schwere Waffe, und sie so zu halten, ist unbequem. Wenn man einen Revolver dieses Kalibers abfeuern will, muss man alle Kräfte zusammennehmen und ihn mit beiden Händen fest umschließen, oder es schlägt einem die Waffe aus der Hand. Würde ich in dieser Position abdrücken, würde die Kugel durch die Schädelbasis gehen und direkt hinter mir in die Wand schlagen, und die Waffe würde vermutlich durchs Zimmer fliegen.«
    »Ja … aber die Kugel steckte in der Decke.«
    »Und genau das verblüfft mich.«
    Graves schwieg.
    »Aber wenn ich die Waffe so halte« – Joe legte den Arm an die Brust und zielte aufwärts – »ist es viel einfacher.« Er beugte den Kopf vor, als wollte er aus einem Strohhalm trinken, und die Mündung berührte durchs Plastik hindurch seine Lippen. »Begreifen Sie, was ich meine?«
    »Ja, aber mir wäre wohler, wenn Sie die Waffe wieder auf den Schreibtisch legten.«
    Joe ignorierte seine Bitte. »Wenn ich in dieser Stellung abdrücke, fährt mir die Kugel durchs Hirn und landet in der Decke. Und die Waffe ruht in einer stabilen Position an meinem Körper, sodass es kaum einen Rückstoß gibt und der Revolver einfach zu Boden fällt.«
    »Ja.«
    »Aber in diesem Fall weist die Kimme gegen die Unterlippe und nicht gegen den Gaumen.«
    Graves nickte.
    Joe blickte fragend auf. »Warum hat Will sich dann aber in der umständlichen und unbequemen Haltung getötet, die ich

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