Todfeinde
stehen und Leute umherlaufen. Anscheinend war es einem der Jagdführer gelungen, den Vorfall in Jackson zu melden.
Als sie ihn sahen, hielten sie inne und wandten sich ihm wie auf Kommando zu. Einige hoben ihr Fernglas. Ein Mitarbeiter des Sheriffbüros ließ unnötigerweise die Sirene kurz aufheulen, um Joe zu signalisieren, er solle zu ihnen kommen.
»Sie müssen uns Ihre Waffen aushändigen«, sagte der Sheriff, als er Joe vom Pferd half. »Wir bringen Sie ins Krankenhaus, und dann brauche ich eine Aussage von Ihnen.«
Joe nickte finster, saß ab und spürte, wie der Wundschorf unter seinem Brustverband dabei wieder aufbrach.
»Wie schwer sind Sie verletzt?«, fragte Tassell.
»Nicht so schwer. Es muss genäht werden. Und ich habe einiges an Blut verloren.«
»Brauchen Sie den Krankenwagen?«
»Nein.«
Tassell wandte sich an seine Hilfssheriffs und wies auf das dritte Pferd. »Bindet den Toten los und legt ihn in den Krankenwagen. Der Fahrer soll direkt zu Dr. Graves fahren.«
Joe ging langsam auf seinen Pick-up zu.
»Sie fahren nicht selbst«, rief ihm der Sheriff verärgert nach. »Wo denken Sie denn hin?«
Randy Pope trat aus der Gruppe. Er trug makellose Jeans, neue Stiefel, ein Hemd mit Druckknöpfen und eine Jeansjacke.
»Ich habe mit Trey Crump gesprochen und soll Ihnen ausrichten, dass Sie so lange suspendiert sind, bis die Ermittlungen zu der Schießerei abgeschlossen sind. Bekanntlich wird das immer so gehandhabt.«
Joe nickte. »Das hatte ich mir gedacht.« Er musterte ihn. »Waren Sie im Westernshop?«
Pope überging diese Bemerkung. »Und Sie sollen ihn möglichst bald anrufen.«
»Das hatte ich vor.«
Sein Vorgesetzter trat nah an ihn heran. »War es wirklich eine Schießerei, wie alle sagen?«
»Es war eher Beihilfe zum Selbstmord«, erwiderte Joe bedrückt. »Smoke hat als Erster gefeuert.«
»Und dann haben Sie ihn erschossen.«
Joe nickte, denn er war zum Reden zu müde.
Pope sah seufzend zum Himmel. Dort lugten die ersten Sterne hervor wie Nadelspitzen durch dunklen Stoff. »Ich muss Überstunden machen, um den Papierkram zu bewältigen, den Sie verursachen«, klagte er.
Tassell überließ seinen Geländewagen einem Hilfssheriff und steuerte den Pick-up, während Joe gekrümmt neben ihm saß.
Als sie wieder auf Asphalt fuhren, fragte der Sheriff: »Ist das nicht Will Jensens Auto?«
Joe nickte. »Meins ist ausgebrannt.«
Tassell schüttelte den Kopf. »Davon hab ich gehört. Wo Sie auftauchen, ist immer was los, hm? Wie Barnum gesagt hat.«
Joe antwortete nicht.
»Will hat jahrelang versucht, Smoke zu überführen, und in den drei Tagen, die Sie oben in den Bergen waren, haben Sie den Mann erschossen !«
»So war es nicht«, erwiderte Joe, wollte sich aber nicht erklären. Er dachte an den Inhalt des letzten Notizbuchs. Daran, wie nun alles zusammenkam. Und wie hässlich es für Will am Ende gewesen war.
Sie fuhren schweigend weiter, bis in der Ferne die Lichter von Jackson auftauchten. Es kam Joe so vor, als hätte er schon immer hier gelebt, nicht erst seit einigen Tagen. Der Krankenwagen hatte vor ihnen gebremst, um eine große Touristengruppe zu Pferd die Fahrbahn kreuzen und zu der Ranch reiten zu lassen, wo sie übernachten würde. Tassell hielt hinter der Ambulanz, und die Scheinwerfer des Pick-ups erhellten deren Inneres und den in die Plane gewickelten Leichnam.
»Da geht’s dahin, mein rechtsmedizinisches Budget für dieses Haushaltsjahr«, seufzte er.
Nach einer ausführlichen Untersuchung, einem Bluttest, und nachdem er an der Seite mit zwanzig und am Arm mit acht Stichen genäht worden war, blieb Joe über Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus. Ein Arzt – der neben seinem Namensschild, das ihn als Dr. Thompson auswies, einen bunten Button trug, auf dem grellgrün »Skihase« stand – hatte ihm Beruhigungsmittel verabreicht, die den Schmerz linderten und die Anspannung lösten. Ehe er einschlief, griff Joe zum Telefon neben dem Bett.
»Marybeth«, sagte er und freute sich ungemein, ihre Stimme zu hören, »ich hab heute Morgen den einzigen Mann in Jackson Hole getötet, den ich wirklich verstand.«
31. KAPITEL
Während Joe sich am nächsten Morgen anzog, versuchte er, sich an das Gespräch mit Marybeth vom Vorabend zu erinnern, bekam es aber nur noch bruchstückhaft zusammen. Es war ihm schwergefallen, sich zu konzentrieren, da die Arzneien zu wirken begannen. Wach gehalten hatte ihn nur ihre Stimme, die dringlich und doch seltsam schwermütig
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