Todfeinde
ihr bis auf die Schultern. Sie blätterte die Zeitung übertrieben heftig um.
»Wussten Sie, dass Sie eine Berühmtheit sind?«
»Nein.«
»Wie wär’s, wenn ich Sie zum Frühstück einlade?«
»Okay.«
»Wir müssen reden.«
»Ja«, sagte Joe, »das müssen wir.«
Der Morgen war frisch und hell, die Sonne aber noch nicht hoch genug am Himmel, um den Frost auf den Windschutzscheiben und Rasenflächen zum Tauen zu bringen. Über einen rutschigen Holzgehsteig näherten sie sich einem gut besuchten, auf Gebäck spezialisierten Lokal in der Nähe des Krankenhauses.
»Früher bin ich sehr gerne ich diesen Laden gegangen«, sagte Stella, nahm ihn bei der Hand und zog ihn weiter, »aber dort kennen mich zu viele, und außerdem ist es da nicht mehr so gut. Gehen wir ins Sportsman’s Café.«
»Das mag ich am liebsten.«
»Ich weiß.« Sie verdrehte die Augen. »Will sah das auch so.«
Ed platzierte sie in die hintere Nische neben der Küchentür, und Joe orderte das Spezialfrühstück, was Stella mit einem wissenden Lächeln bedachte.
»Schon klar«, sagte er. »Will hat das auch bestellt.«
»Unheimlich ist das.« Sie nahm Kaffee und einen Bagel.
Joe sah sie über den Tisch hinweg an, und sie erwiderte seinen Blick. Wie präsent ihr Name war, seit er sie kennengelernt hatte! Er hatte über sie nachgedacht, sogar von ihr geträumt. Marybeth nichts von ihr erzählt zu haben, sagte mehr als er sich eingestehen mochte. Als Stella ihm nun in die Augen sah, hatte er den Eindruck, dass auch sie an ihn gedacht hatte, aber in welchem Zusammenhang? Es war, als hätten Sie sich seit Tagen belauert und nur darauf gewartet, dass sich der andere eine Blöße gab.
»Sie fangen an«, erklärte sie.
Er nahm einen Schluck Kaffee und verbrannte sich die Zunge. »Ich hatte schon lange kein Frühstück mehr mit einer anderen Frau als meiner Gattin.«
Sie lächelte. »Das glaub ich Ihnen. Wollen Sie lieber gehen?«
Er brauchte einen Moment. »Nein.«
»Ich auch nicht.«
Er trank einen weiteren Schluck, sah sie über den Rand der Tasse hin an und versuchte sich einzureden, das hier sei Teil seiner Ermittlungen.
»Sie haben nie eine Frau wie mich getroffen«, sagte sie leise. Er beobachtete ihre Lippen und sah ihre Zähne dazwischen hervorblitzen, während sie redete.
»Stimmt.«
»Keine Sorge.« Sie verstummte unvermittelt, als hätte sie fortfahren wollen, es sich jedoch anders überlegt.
»Ich hab Wills letztes Notizbuch gefunden.«
»In der Hütte oben am See?«
Er nickte.
»Ich hab hinterher danach gesucht«, meinte sie wehmütig und wandte den Blick ab. »Ich hatte gehofft, er hätte es mit nach Jackson genommen. Wo war es? Unter der Matratze?«
»Ja. Und ich hab Ihre Initiale im Gästebuch entdeckt – ich hab sie gleich wiedererkannt, von der Einladung, die Sie mir geschickt hatten.«
Ihre Augen schimmerten, als erinnerte sie sich an etwas, das sie sehr bewegte. Schuldgefühle sind das nicht, befand Joe.
»Ich wollte eine Spur hinterlassen«, sagte sie. »Falls mir etwas zustieße. Oder uns beiden. Sie kennen Smoke Van Horn? Den Mann, den Sie erschossen haben? Er hat uns da oben zusammen gesehen. Und es hat ihm gar nicht gepasst.«
»Ich weiß.«
»Aber Smoke war unsere geringste Sorge. Er hat nicht begriffen, dass ich Will retten wollte.«
»Haben Sie das wirklich versucht?«
»Jedenfalls hab ich es offenkundig falsch angepackt.«
Er wollte etwas sagen, doch Ed stellte ihm eine Platte vor die Nase und reichte Stella ihren Teller mit dem Bagel.
»Geht aufs Haus. Guten Appetit!«
Joe sah auf. »Warum das?«
»Heute ist mein letzter Tag hier.« Eds Augen verrieten, dass sein Lächeln gekünstelt war. »Jackson ist nichts mehr für mich.«
»Mist«, sagte Joe.
»Smoke hätte ich auch ein Essen spendiert. Der war ebenfalls ein guter Kunde. Sehen Sie das da oben auf dem Regal?« Er wies auf ein grellbuntes Löwenhaupt aus Keramik. »Das haben einige seiner Jäger dem Löwen der Tetons geschenkt, als sie hier frühstückten, und Smoke hat es dann vergessen. Ich hab es dort oben hingestellt, und da ist es geblieben. Er meinte immer, er will es zurück, aber er hat es nie mitgenommen.«
Joe spürte, dass Stella seine Reaktion beobachtete.
»Es ist ein Jammer«, konstatierte Ed.
»Das mit Smoke? Oder dass Sie heute Ihren letzten Tag haben?«, fragte Joe.
Ed kehrte in die Küche zurück. »Wahrscheinlich beides«, sagte er über die Schulter.
Nachdem die Teller abgeräumt waren, redeten Joe und Stella
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