Todfeinde
nicht schon mal die Waffe abgenommen worden? Von einem Jagdführer?«
Auch Joe hatte gerade an diesen Vorfall gedacht, erwiderte aber nichts. Das war fünf Jahre her, würde ihm aber für immer anhängen.
»Lassen Sie den Revolver fallen, und dann reden wir. Mein Angebot gilt noch immer.«
»Ach, Ihr Angebot. Das nehm ich nicht an. Hab ich Ihnen doch gesagt.«
Schwerfällig drehte er sich um, und die rasche Bewegung brachte ihn ins Schwanken. Er stolperte, fand die Balance wieder und sah Joe mit blutunterlaufenen Augen an.
»Sich im Gras zu verstecken, war ein guter Trick.«
»Ich hatte mit Ihrer Rückkehr gerechnet. Und ich wollte nicht, dass die Sache aus dem Ruder läuft.«
Smoke nickte bedächtig, als hätte Joe eine komplizierte Theorie vorgetragen, die er erst mal verarbeiten musste.
»Aber das wird sie«, erwiderte er dann.
»Nicht unbedingt.«
»So werde ich abtreten«, sagte Smoke mehr zu sich als zu Joe. »Mit wehenden Fahnen. Was soll ich denn anfangen, wenn man mir die Jagdführerlizenz nimmt? Wenn ich das Jagdlager meines Großvaters verliere?«
»Es gibt jede Menge zu tun.«
»Warum tun Sie es dann nicht?«, fragte er lächelnd. »Stattdessen schlafen Sie mit einer Flinte in der Kälte.«
»Smoke …«
»Hier ist Schluss«, rief Smoke blinzelnd. »Ich muss nur noch herausfinden, wen von euch beiden ich erschieße.« Der Lauf des Revolvers erhob sich langsam, bis Joe in die offene Mündung sah.
»Lassen Sie das. Mensch … «
Die Waffe sank wieder. Smoke grinste. »Was ist? Können Sie niemanden erschießen, der Ihnen in die Augen sieht?«
Joe erinnerte sich an den Bären – daran, wie er dem Tier gegenüber erstarrt war. Und dass Trey gefeuert hatte, weil er selbst es nicht vermochte. Doch das hier war etwas anderes. Smoke wollte diese Sache gar nicht bis zum bitteren Ende durchziehen. Verdammt, dachte er, ich mag ihn.
»Da sind Sie ja«, knurrte Smoke. »Endlich seh ich Sie nicht mehr doppelt.«
Lässig hob er die Waffe erneut und feuerte. Der Knall war ohrenbetäubend, und trotz des glühenden Schmerzes, den Joe an der Seite spürte, und des Echos, das ihm in den Ohren vibrierte, hörte er Fichtennadeln ins Gras regnen.
»Treffer.« Smoke ließ den vom Rückstoß hochgerissenen Revolver langsam wieder auf Höhe seiner wässrigen Augen sinken. »Warum fallen Sie nicht um?«
Joe nahm ihn ins Visier, schoss ihm in die Brust und lud erneut durch, während der Jagdführer mit verwirrter Miene rückwärts taumelte. Ein Rauchfaden stieg aus dem münzgroßen Loch in Smokes Schafsledermantel.
Smoke hob den Revolver, den er hatte sinken lassen, erneut an.
»Zwingen Sie mich nicht … «, begann Joe.
Der Revolver bewegte sich zitternd, aber zielstrebig in seine Richtung, und Joe schoss seinem Gegenüber ein weiteres Mal in die Brust. Diesmal ging der Jagdführer wie eine Marionette mit durchgeschnittenen Fäden zu Boden. Waffe und Whiskeyflasche landeten neben ihm.
»Großer Gott«, sagte Joe, lief zu ihm und sank auf die Knie. Smoke atmete flach und hektisch, die Augen flatterten, und seine Miene war grässlich verzerrt.
»Es tut so weh, so weh, so weh … «
Neben ihm im Gras bildete sich eine dunkle Blutpfütze und dampfte in der Kälte mit stechend metallischem Geruch.
»Es tut so weh, so weh, so weh … «
Joe legte die Flinte beiseite und drückte Smokes große, schwielige Rechte, doch er spürte keinen Gegendruck. Der Jagdführer hustete gurgelnd und abgehackt, und aus einem der Löcher im Mantel spritzte Blut auf Joes Ärmel.
»Smoke?«
»Es tut so weh, so weh, so weh … «
Joe sah zur Hütte und überlegte unsinnigerweise, ob es dort einen Verbandskasten gab. Doch der Jagdführer hatte zwei großkalibrige Patronen in die Brust bekommen. Niemand würde ihn zusammenflicken und retten können.
»Smoke, hören Sie mich?«
Es tut so weh, so weh, so weh …
Mit einem Röcheln, das wie eine Spielkarte zwischen Fahrradspeichen klang, verkrampfte sich Smokes Körper. Seine Hand drückte fest zu und ein letzter, nach Blut riechender Atemzug entwich der wie ein Blasebalg pfeifenden Brust.
Joe kniete reglos und mit geschlossenen Augen, bis die Morgensonne hinter den Bergen aufging und er ihre plötzliche Wärme im Rücken spürte. Er ließ Smokes Hand los und erhob sich taumelnd, sodass er fast auf den Toten gestürzt wäre. Seine Flanke schmerzte höllisch, und der rechte Arm zitterte unkontrolliert. Erst jetzt sah er an sich herab. Blut war durch seine drei Lagen Kleidung
Weitere Kostenlose Bücher