Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi
lang ausgestreckt, die Arme vor der Brust
verschränkt. Jetzt drehte sie sich mit einem Ruck zu mir um.
»Ich glaube, dass
Agathe mehr über den Tod von Clemens Hovermann weiß, als sie uns sagen wollte.
Sie hat mich ja regelrecht abgewürgt.«
»Es geht ihr
sicherlich sehr nahe, wenn sie plötzlich erfährt, dass diese jungen Menschen
damals gewaltsam zu Tode gekommen sind«, erwiderte ich und drehte das Radio
leiser.
»Agathe war Nonne.
Jeder in der Familie, der etwas loswerden oder gar beichten wollte, ist doch
sicherlich zu ihr gegangen.«
Ich nickte. »Falls
sie auf diese Weise etwas erfahren hat, wird sie es uns bestimmt nicht
weitererzählen. Das Beichtgeheimnis ist ein heiliges Gebot.«
Cornelia seufzte
und ließ nicht locker. »Wenn sie aber sowieso nichts erzählt, wäre es auch
unnötig, sie umzubringen.«
»Genau.« Ich
lächelte sie an und hätte mich beinahe geduckt, so sicher war ich mir, dass
Cornelia wütend werden und mich tätlich angreifen würde. Sie tat es nicht. »Wie
kommst du eigentlich auf eine Arsenvergiftung?«
»Ich habe mal ein
Buch über Giftmorde gelesen. Bei einer akuten Arsenvergiftung treten plötzliche
Übelkeit, Magenkrämpfe, Erbrechen und Durchfall auf. Im Falle einer tödlichen
Dosis natürlich entsprechend dramatisch, einhergehend mit Nieren- und
Leberversagen und schließlich dem Herzstillstand. Man kann das Gift gut
nachweisen, wenn man danach sucht.« Sie hob einen grazilen Zeigefinger in die
Höhe. »Wenn jemand ganz unverhofft mit solchen Symptomen stirbt, sucht man
schon einmal eher nach Gift. Im Fall von Agathe nimmt der Arzt vermutlich nur
die üblichen Untersuchungen vor, Magenspiegelung, Darmspiegelung, Allergietest,
was weiß ich. Da die Symptome sehr schleichend gekommen sind, wird man eher auf
eine Krankheit tippen. Wenn Agathe nun stirbt, wäre das in ihrem Alter nach
einem längeren Unwohlsein keine Überraschung. Alte Menschen können, ebenso wie
Säuglinge, an Brechdurchfällen sterben.«
»Das klingt nach
einem sehr perfiden Plan. Wem traust du so etwas zu? Sybille?«
Die Antwort kam
rasch. »Nein. Sie ist eine verbitterte Frau, aber nicht bösartig, meiner
Meinung nach. Allerdings müsste es schon jemand sein, der Zugang zu den
Nahrungsmitteln oder den Arzneien von Agathe hat.«
Ich sah sie kurz
an und konzentrierte mich dann wieder auf die Straße. Wir kamen deutlich
langsamer voran, weil inzwischen der Berufsverkehr eingesetzt hatte. »Sollten
wir Sybille nicht besser über unseren Verdacht informieren?«
»Glaubst du,
Delbrock reagiert nicht in irgendeiner Weise auf meine Äußerung, sei sie auch
noch so voreilig gewesen? Ich denke, das Programm läuft schon. Kannst du nicht
schneller fahren, Michael? Ich habe Hunger.«
Den Rest des Weges
legten wir schweigend zurück. Morgen früh würde ich meine Mutter am Flughafen
in Empfang nehmen und, sollte sie es zulassen, zum Hausarzt begleiten. Ich
hatte natürlich schon versucht, sie anzurufen, doch ihr Handy war nicht
erreichbar, oder sie hatte es ausgestellt. Mich beunruhigte ein wenig die
Frage, ob sie gesundheitlich wirklich in der Lage war, morgen allein zu
fliegen.
Und dann war die
Frist auch schon um. Die von Amelie prophezeiten fünf Tage neigten sich dem
Ende zu, morgen war der fünfte Tag, der Mittwoch. Unwillkürlich blickte ich
nach rechts. Cornelia hatte schon eine ganze Weile nichts mehr gesagt, und nun
sah ich, dass sie eingeschlafen war. Ihr Kopf lehnte am Fenster, die Hände
ruhten im Schoß.
Und ich bekam
dieses »Einsamer-Wolf-Gefühl«. Ich würde diese Lady begleiten, solange es noch
ging, meine Mutter aus den Fängen eines untauglichen Liebhabers befreien und
mich dann klaglos meinem Schicksal ergeben. »Weint nicht um mich, meine Freunde …!«
So eine durch und
durch melancholische Stimmung, die Rolle des tragischen Helden, hatte etwas
Stimulierendes, und ich schaute schon wieder zu Cornelia, die noch ein bisschen
tiefer in ihren Sitz gerutscht war.
Ich lenkte den
Wagen zu meiner Wohnung.
ZEHN
»Michael, ganz
ehrlich, irgendetwas stimmt mit dir nicht.«
Ich hielt in
meinen Kaubewegungen inne und starrte Cornelia an. Da weckte ich sie mit Pizza
und Tiramisu wie ein lang erprobter Geliebter und bekam nach einer halben
Stunde gemütlichen Schlemmens eine solche Bemerkung an den Kopf.
»Du arbeitest
nicht. Du hast kaum ein Privatleben, und nicht einmal deine Mutter weiß, dass
ihr von den Hovermanns abstammt.«
Nachdem sie einmal
Mut gefasst hatte, fielen ihr noch mehr
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