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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Toilettenkabine, die Urinale und die rostigen Waschbecken gleiten, bevor er sich wie magnetisch angezogen auf die Stelle am Boden richtete, wo die Leiche gelegen hatte.
    Ein Ort, an dem ein Mensch ermordet wurde, übt eine rätselhafte Anziehungskraft aus. Auch nachdem die Leiche längst abtransportiert ist und die Blutlachen aufgewischt worden sind, scheint er noch die Erinnerung an das schreckliche Geschehen zu bewahren – das Echo der Schreie, den Geruch der Angst. Und wie ein schwarzes Loch zieht er die gebannte Aufmerksamkeit der Lebenden an, die sich nicht abwenden können, die der Versuchung nicht widerstehen können, einen Blick in den Schlund der Hölle zu werfen.
    Rizzoli bückte sich, um die blutverschmierten Fliesen zu inspizieren.
    »Es war ein glatter Herzschuss«, sagte Maura, indem sie neben Rizzoli in die Hocke ging. »Er löste eine Herzbeuteltamponade aus, die innerhalb kürzester Zeit zum Herzstillstand führte. Deshalb ist so wenig Blut auf dem Fußboden. Sie hatte keinen Herzschlag mehr, der Kreislauf war zusammengebrochen. Als er ihr die Hände und Füße amputierte, war sie bereits tot.«
    Stumm blickten sie auf die braunen Flecken auf dem Boden. Die Toilette hatte keine Fenster. Ein Licht in diesem Raum konnte von der Straße aus nicht gesehen werden. Der Täter hatte sich Zeit nehmen und sich ungestört seiner blutigen Tat widmen können. Er musste das Opfer nicht am Schreien hindern, musste nicht befürchten, ertappt zu werden. Er konnte in aller Ruhe durch Haut, Fleisch und Sehnen schneiden und seine grausigen Trophäen einsammeln.
    Und nachdem sein Werk beendet war, hatte er die Leiche in diesem Haus liegen lassen, als Festmahl für die Ratten, die hier längst das Regiment übernommen hatten und bald alles, was an Fleisch noch übrig war, vernichtet haben würden.
    Maura richtete sich keuchend auf. Obwohl es im Haus sehr kühl war, schwitzten ihre Hände in den Handschuhen, und sie spürte, wie ihr Herz pochte.
    »Können wir jetzt gehen?«, fragte sie.
    »Einen Augenblick noch. Ich will mich noch ein bisschen umschauen.«
    »Es gibt hier sonst nichts zu sehen.«
    »Wir sind doch gerade erst gekommen, Doc.«
    Maura blickte auf den dunklen Flur hinaus und erschauerte. Sie glaubte einen merkwürdigen Luftzug zu spüren, einen eiskalten Hauch, der ihr die Haare zu Berge stehen ließ. Die Tür, dachte sie plötzlich. Wir haben die Seitentür offen gelassen.
    Rizzoli kauerte immer noch neben den Blutflecken und leuchtete mit ihrer Taschenlampe Zentimeter um Zentimeter des Fliesenbodens ab. Sie war vollkommen auf ihre Arbeit konzentriert. Sie ist ganz gelassen, dachte Maura. Warum sollte ich es nicht sein? Ganz ruhig. Beruhige dich.
    Langsam bewegte sie sich auf die Tür zu. Dann ließ sie den Lichtstrahl der Lampe, die sie wie einen Säbel gepackt hielt, blitzschnell durch den Flur sausen.
    Nichts zu sehen. Doch das Kribbeln im Nacken wollte sich nicht legen. »Rizzoli«, flüsterte sie. »Können wir jetzt endlich gehen?«
    Erst jetzt nahm Rizzoli die Anspannung in Mauras Stimme wahr. Ebenso leise fragte sie zurück: »Was ist denn?«
    »Ich will hier raus.«
    »Wieso?«
    Maura starrte auf den dunklen Gang hinaus. »Ich habe das Gefühl, dass hier irgendwas nicht stimmt.«
    »Haben Sie etwas gehört?«
    »Sehen wir einfach zu, dass wir hier rauskommen, okay?«
    Rizzoli richtete sich auf und sagte leise: »Okay.« Sie ging an Maura vorbei auf den Gang hinaus. Dort verharrte sie reglos, als ob sie die Witterung der drohenden Gefahr aufzunehmen versuchte. Die furchtlose Rizzoli, immer an vorderster Front, dachte Maura, während sie ihr durch den Flur in den Gastraum folgte. Mit eingeschalteten Taschenlampen gingen sie weiter in die Küche. Für jeden Eindringling deutlich sichtbar, wie ihr jetzt schlagartig klar wurde. Da trampeln wir über die knarrenden Dielen mit unseren Lampen wie zwei wandelnde Zielscheiben.
    Maura spürte einen eisigen Luftzug, und im nächsten Moment erblickte sie die Silhouette eines Mannes in der offenen Tür. Reglos verharrte sie, zu geschockt, um eingreifen zu können, als sich urplötzlich um sie herum hektische Stimmen erhoben.
    Rizzoli war sofort mit gezogener Waffe in die Hocke gegangen und brüllte: »Keine Bewegung!«
    »Waffe fallen lassen!«
    »Ich sagte keine Bewegung, du Schwein!«, kommandierte Rizzoli.
    »Boston P. D.! Ich bin vom Boston P. D.!«
    »Wer zum Henker...« Rizzolis Taschenlampe strahlte plötzlich das Gesicht des Eindringlings an, der

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