Todsünde
sogleich schützend den Arm hob und die Augen zusammenkniff. Dann war es eine ganze Weile still.
Rizzoli stöhnte genervt auf. »Ach, du Scheiße.«
»Die Freude ist ganz auf meiner Seite«, sagte Detective Crowe. »Hier ist ja richtig was los.«
»Mensch, ich hätte dir die Birne wegpusten können«, erwiderte Rizzoli. »Ihr hättet uns irgendwie vorwarnen sollen ...« Ihre Stimme erstarb, und sie erstarrte, als eine zweite Silhouette in der Tür auftauchte. Ein groß gewachsener Mann schob sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit an Crowe vorbei und trat in den Lichtkegel von Rizzolis Taschenlampe, der plötzlich zu schwanken begann. Es war Rizzolis Hand, die zitterte.
»Hallo, Jane«, sagte Gabriel Dean.
Die Dunkelheit ließ die ausgedehnte Pause noch länger erscheinen.
Als Rizzoli schließlich antwortete, klang ihre Stimme merkwürdig tonlos, nüchtern und geschäftsmäßig: »Ich wusste gar nicht, dass du in der Stadt bist.«
»Ich bin heute erst hergeflogen.«
Sie steckte die Waffe zurück ins Halfter und richtete sich kerzengerade auf. »Was tust du hier?«
»Dasselbe wie du. Detective Crowe will mir den Tatort zeigen.«
»Das FBI schaltet sich in den Fall ein? Wieso?«
Dean blickte sich in dem düsteren Raum um. »Wir sollten uns woanders darüber unterhalten. Irgendwo, wo es wenigstens warm ist. Ich würde gerne hören, welche Verbindungen es zwischen deinem Fall und diesem hier gibt, Jane.«
»Wenn wir reden, müssen die Informationen aber in beide Richtungen fließen«, sagte Rizzoli.
»Natürlich.«
»Alle Karten auf den Tisch.«
Dean nickte. »Du wirst alles erfahren, was ich weiß.«
»Hört mal«, mischte sich Crowe ein, »lasst mich doch erst mal Agent Dean den Tatort zeigen. Wir treffen uns dann nachher im
Besprechungszimmer. Da haben wir wenigstens genug Licht, um einander in die Augen sehen zu können. Und wir müssen nicht in der Kälte rumstehen, bis uns der Arsch abfriert.«
Rizzoli nickte. »Also gut, Besprechungszimmer, zwei Uhr. Wir sehen uns dort.«
14
Als Rizzoli mit fahrigen Bewegungen ihren Autoschlüssel aus der Tasche kramte, fiel er ihr in den Schnee. Fluchend bückte sie sich danach.
»Alles okay?«, fragte Maura.
»Er hat mich einfach auf dem falschen Fuß erwischt. Ich habe nicht damit gerechnet ...« Sie richtete sich auf und blies eine Dampfwolke in die eisige Luft. »Was hat er hier eigentlich zu suchen? Was macht er hier, verdammt noch mal?«
»Vermutlich nur seinen Job.«
»Ich bin nicht dazu bereit. Ich bin nicht bereit, wieder mit ihm zusammenzuarbeiten.«
»Sie haben vielleicht keine andere Wahl.«
»Ich weiß. Und das kotzt mich so an – dass ich keine Wahl habe.« Rizzoli schloss ihren Wagen auf, und sie stiegen ein. Die Sitze waren eiskalt.
»Werden Sie es ihm sagen?«, fragte Maura.
Mit verbissener Miene ließ Rizzoli den Motor an.
»Nein.«
»Er würde es sicher wissen wollen.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Er ist bestimmt nicht anders als andere Männer.«
»Sie schreiben das Happy End also von vorneherein ab? Wollen Sie es gar nicht erst versuchen?«
Rizzoli seufzte. »Wenn er nicht er wäre und ich nicht ich, dann hätten wir vielleicht eine Chance.«
»Aber es waren nun einmal Sie beide, die diese Affäre hatten.«
»Genau. Wer hätte das gedacht, hm?«
»Was meinen Sie damit?«
Rizzoli schwieg einen Moment und starrte auf die Straße hinaus. »Wissen Sie, wie meine beiden Brüder mich früher immer genannt haben?«, fragte sie leise. »Den Frosch. Sie haben gesagt, kein Prinz würde je einen Frosch küssen wollen. Von Heiraten ganz zu schweigen.«
»Brüder können grausam sein.«
»Aber manchmal sagen sie einem auch einfach nur die grausame Wahrheit.«
»Wenn Agent Dean Sie anschaut, sieht er bestimmt keinen Frosch.«
Rizzoli zuckte mit den Achseln. »Wer weiß, was er in mir sieht.«
»Eine intelligente Frau?«
»Klar, das ist ja auch unheimlich sexy.«
»Für manche Männer schon.«
»Behaupten sie jedenfalls. Aber wissen Sie was? Ich kann das nicht so recht glauben. Wenn man einen Mann vor die Wahl stellt, schaut er doch zuerst auf die Titten und den Po.«
Mit grimmiger Entschlossenheit konzentrierte sich Rizzoli auf die Straße. Die Gehsteige waren mit einer schmutzigen Schneekruste bedeckt, die Scheiben der parkenden Autos vereist.
» Etwas hat er in Ihnen gesehen, Jane. Genug, um Sie zu begehren.«
»Es war der Fall, an dem wir gearbeitet haben. Das Jagdfieber. Das gibt einem das Gefühl, lebendig zu sein,
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