Todtsteltzers Ehre
Owen
funkelte Bonnie an.
»Wozu zum Teufel sollte das gut sein?«
»Mir hat nicht gefallen, wie mich dieses Bauwerk angesehen
hat«, antwortete Bonnie ruhig.
Owen rang um seine Selbstbeherrschung. »Na ja, falls die
Hadenmänner zuvor nichts von unserer Anwesenheit wußten,
dann jetzt aber mit Sicherheit!«
»Nichts zu danken«, sagte Bonnie.
»Ah, Owen«, warf Hazel ein, »ich denke, wir können ganz
klar davon ausgehen, daß sie genau wissen, wo wir stecken.«
Owen drehte sich um und sah, daß eine kleine Armee von
Hadenmännern völlig lautlos aus dem Nichts aufgetaucht war
und sie jetzt umzingelte. Owen entschied, daß er ganz ruhig
stehenbleiben wollte, und hoffte, daß die anderen verständig
genug waren, es ihm gleichzutun. Mindestens einhundert der
aufgerüsteten Menschen mußten hier stehen – groß und perfekt
und völlig reglos in nichtmenschlicher Anmut. Keiner von ihnen trug erkennbare Waffen bei sich. Sie brauchten auch keine.
Sie waren selbst Waffen. Die Gesichter waren völlig ausdruckslos, obwohl die Augen mit einem goldenen Glanz brannten, als gloste ein kleines nukleares Feuer in jedem Augapfel.
Owen sah Hazel an, und beide senkten die Waffen, damit kein
Mißverständnis auftrat. Bonnie wirkte etwas unruhig, und Mitternacht packte sicherheitshalber ihren rechten Arm mit festem
Griff. Eine ganze Weile standen Menschen und Hadenmänner
nur da und sahen sich an – die Hadenmänner durch Menschentech aufgebessert, ihre Gegenüber durch die fremdartige Tech
im Labyrinth des Wahnsinns verstärkt. Keiner von ihnen noch
im strengen Sinn ein normaler Mensch.
Owen dachte angestrengt nach. Das war genau die Art Konfrontation, der er hatte ausweichen wollen, indem er sich per
Kanalisation in die Stadt schlich. Er hegte jedoch immer noch
die Hoffnung, eine Art Abkommen auszuhandeln. Sogar nach
all dem, was er von den bisherigen Greueltaten der Hadenmänner gesehen hatte, pochte er noch immer möglichst auf das
Prinzip, daß Reden besser war als Kämpfen. Er mußte es. Andernfalls hätte er sich vorbehaltlos auf den Weg des Kriegers
begeben, sich dem Blutvergießen und der Wut und dem Ungeheuer ausgeliefert. Dabei hatte er längst genug Tod und Zerstö
rung miterlebt. Vorsichtig sah er sich nach jemandem um, der
wie ein Anführer oder Sprecher wirkte, und spannte sich an, als
einer der aufgerüsteten Menschen auf einmal vortrat.
»Hallo, Owen«, sagte der Hadenmann mit rauher, brummender Stimme. »Kennt Ihr mich noch?«
»Mein Gott!« antwortete Owen langsam. »Mond? Seid Ihr
das wirklich?«
»Ja«, bestätigte Tobias Mond. »Euer alter Gefährte. Sie haben mich nachgebaut, nachdem ich auf dem verlorenen Haden
von dem Grendel zerstört worden war. Hallo Hazel!«
»Ist aber eine Weile her, Mond«, sagte Hazel. Sie steckte die
Pistole ins Halfter und hielt dem Hadenmann die Hand entgegen. Nach einem Moment ergriff Mond sie und schüttelte sie
vorsichtig, sich seiner überlegenen Kraft bewußt. Die Hand des
Hadenmanns war leichenkalt, und Hazel ließ sie wieder los,
sobald das nach diplomatischen Gesichtspunkten möglich war.
Owen musterte Mond sorgfältig, und der Hadenmann erwiderte
den Blick gelassen mit den leuchtenden Augen. Owen schüttelte langsam den Kopf.
»Sie haben verdammt gute Arbeit an Euch geleistet, Mond.
Ich erkenne nirgendwo eine Naht. Ich meine, dieser Grendel
hat Euch regelrecht den Kopf abgerissen!«
»Ich erinnere mich«, sagte Mond. »Ich war dabei.« Er sah
Hazel an. »Ich weiß noch, wie Ihr gekommen seid, um mich in
der Stadt zu treffen, die wir auf dem verlorenen Haden errichtet
hatten.« Er wandte sich erneut an Owen. »Ihr, Owen, habt nicht
nach mir gesucht.«
»Ich hielt Euch für tot«, erklärte Owen. »Und als ich es
schließlich herausfand … hatte ich so viel zu tun …«
»Ich verstehe. Ich bin schließlich nicht der Tobias Mond, den
Ihr kanntet. Das ist hier sein Körper, zu voller Funktion als
Hadenmann wiederhergestellt, und ich habe vollen Zugriff auf
alle seine Erinnerungen, aber ich bin nicht er. Ist vielleicht
auch besser so; er verbrachte zu viel Zeit fern den Seinen. Er
war zu sehr Mensch geworden.«
»Ich hatte also recht«, sagte Owen. »Mein alter Gefährte ist
tot. Ich habe einen weiteren Freund verloren. Man sollte
eigentlich meinen, daß ich mich inzwischen daran gewöhnt
hätte. Aber egal. Also, was passiert jetzt, Mond?«
»Das liegt eigentlich bei Euch, Owen. Ihr hättet uns melden
sollen, daß Ihr kommt. Wir hätten einen Empfang für
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