Todtsteltzers Ehre
wichen ihm hastig
aus. Barron taumelte den Gang entlang, ohne sich noch einmal
umzudrehen. Carrion und Schwejksam blickten ihm eine Zeitlang nach und wandten sich schließlich ab. Ringsherum nahmen die zuschauenden Besatzungsmitglieder allmählich wieder
ihre Tätigkeiten auf.
»Wir lassen die Vergangenheit nie wirklich hinter uns«, sagte
Schwejksam seufzend. »Irgendwas taucht immer wieder auf
und verlangt Sühne.«
»Er muß noch ein Kind gewesen sein, als sein Vater umkam«, überlegte Carrion. »Hat sich wahrscheinlich auf Eurem
Schiff gemeldet, um in die Fußstapfen des Vaters zu treten.
Nur um mich schließlich hier anzutreffen und Euch als meinen
Verteidiger zu erleben. Es muß schwierig für ihn gewesen
sein.«
»Nichts davon macht es besser«, erklärte Schwejksam rundweg. »Ich dachte, ich hätte meine Leute besser ausgebildet. Sie
sollten eigentlich Krieger sein und keine herumschleichenden
Meuchelmörder.«
»Nicht, daß er der erste gewesen wäre«, sagte Carrion. »Es
hat schon mehrere Anschläge auf mein Leben gegeben, seit Ihr
mich von Unseeli zurückgebracht habt.«
»Was?« Schwejksam musterte ihn scharf. »Warum wurde ich
nicht informiert? Warum habt Ihr es mir nicht gesagt?«
»Es war nicht wichtig. Ich bin damit fertig geworden.«
»Das ist mein Schiff, Investigator. Ihr gehört zu meiner Besatzung. Von jetzt an möchte ich alles erfahren. Habt Ihr das
verstanden?«
»Ja, Kapitän.«
Schwejksam funkelte ihn kurz an, dann setzten sie ihren Weg
fort. Weniger Menschen als zuvor schienen jetzt durch den
Korridor zu gehen. Schwejksam verfluchte sich als Idiot, weil
er die Wirkung, die Carrions Rückkehr auf seine Besatzung
zeitigen würde, nicht voll bedacht hatte. Natürlich mußten Ressentiments aufflammen. Zwölf Jahre waren eine lange Zeit,
aber nicht annähernd lange genug, um so etwas wie Unseeli zu
vergessen. Gott wußte, daß er sich wirklich bemüht hatte!
Und trotzdem hatte er an nichts anderes gedacht, als den
Mann, der früher sein Freund war, mit an Bord zu nehmen,
weil er dachte, daß er dorthin gehörte. Sein alter Freund Sean
war aber jetzt der Mann, den man Carrion nannte. Verräter,
Mörder, von Fremdwesen adoptiert, und das auf seiner Seite
freiwillig. Es erforderte schon mehr als eine Amnestie und die
Wiedereinsetzung als Investigator, um auszugleichen, was der
Mann, der Sean hieß, aus sich selbst gemacht hatte. Schwejksam seufzte leise. Jetzt, wo Frost nicht mehr war, brauchte er
jemand anderen, auf den er sich verlassen konnte. So einfach
war das. Und sowenig Carrion für diese Rolle geeignet schien,
war er doch der einzige, an den Schwejksam sich wenden
konnte.
»Ich weiß all das zu schätzen, was Ihr für mich getan habt,
Kapitän«, sagte Carrion mit ruhiger und regloser Stimme.
»Aber ich sollte, wie ich finde, darauf hinweisen, daß die Aufnahme eines berüchtigten Verräters wie mich in Eure Besatzung wahrscheinlich nicht das Klügste war, was Ihr tun konntet. Es wird Euren Karriereaussichten nicht viel helfen, und es
hat womöglich Eurem Ansehen und Eurer Autorität bei der
Besatzung geschadet.«
»Ich habe keine Karriereaussichten«, hielt ihm Schwejksam
entgegen. »Dafür habe ich schon gesorgt. Und die Besatzung
vertraut mir und meinem Urteilsvermögen. Sie wird lernen,
Euch zu akzeptieren.«
»Ich kann Investigator Frost nicht ersetzen, Kapitän.«
»Niemand könnte das. Ich durfte den Investigator für diesen
Einsatz selbst auswählen, und ich wollte Euch. Jemanden, der
die Perspektive von Fremdwesen versteht und dem möglicherweise andere Möglichkeiten einfallen, als sie einfach wegzupusten. Falls die Neugeschaffenen ihrer Reputation gerecht werden, dann wird sich eine direkte Konfrontation als unbrauchbare Strategie erweisen. Ich brauche jemanden, der … flexibel
ist.«
»Man hat mir schon manche Bezeichnung verliehen, aber ich
denke, diese ist neu. Wie könnt Ihr sicher sein, daß ich die Partei der Menschheit ergreife?«
» Shub hat die Metallwälder zerstört. Hat Euch damit alles
genommen, was Euer war. Das macht die abtrünnigen KIs jetzt
auch zu Euren Feinden. Und die Partei der Menschheit zu ergreifen, das ist Eure einzige Chance auf Vergeltung.«
»Wie gut Ihr mich versteht, Kapitän! Ihr habt vollkommen
recht. Rache ist ein kalter Trost, aber manchmal bleibt uns
nichts anderes, woran wir uns noch klammern können.«
»Tut einfach Eure Pflicht, Carrion. Mehr kann niemand von
uns verlangen.«
»Pflicht. Ehre.
Weitere Kostenlose Bücher