Todtsteltzers Ehre
habt Ihr
mich hier gefunden?«
»Meine Leute sind Evie auf dem ganzen Weg gefolgt. Sie
glaubte, sie hätte sie abgehängt.« Gregors Stimme klang angespannt und schrill, aber voller Gift. »Sie hat Euch alles über ihr
kleines Abenteuer im Shreck-Turm erzählt, was? Aber was hat
sie Euch wohl nicht erzählt, hm, Feldglöck? Was ist mit den
Dingen, die sie Euch nie erzählt hat, den Geheimnissen, die sie
seit jeher vor Euch hütet? Soll ich Euch alles über Euren kleinen geklonten Liebling erzählen, hm?«
»Ich weiß, daß sie ein Klon ist«, antwortete Finlay kalt. »Und
ich weiß, daß Ihr das Original ermordet habt. Wir haben keine
Geheimnisse voreinander, Evangeline und ich.«
»Oh, aber doch, ganz gewiß, mein lieber Junge! Das garantiere ich. Ich wette, sie hat Euch nie verraten, wie sehr ich sie
liebte, oder präzise, wie ich sie liebte. Oh, ich habe sie stark
und oft geliebt. Tatsächlich habe ich sie mit ins Bett genommen und sie Tag und Nacht geliebt, so kräftig ich konnte. Und
sie hat es genossen!«
»Nein!« protestierte Evangeline. »Nein!«
»Ihr Mistkerl!« brüllte Finlay, das Gesicht hellrot vor Zorn.
»Ihr Mistkerl!«
»Ich habe sie flachgelegt, Feldglöck, lange ehe Ihr es tatet!
Sie war Vatis Mädchen und tat alles, was Vati ihr sagte. Und
wir haben alle möglichen Sachen angestellt. Sachen, die sie für
Euch wahrscheinlich nie getan hat. Sie ist auf ewig mein, Feldglöck, denn ich hatte sie auch als erster. Dafür habe ich sie ja
herstellen lassen. Ich werde sie Euch wieder wegnehmen, und
Ihr könnt mich nicht daran hindern.«
»Ich bringe Euch um!« drohte Finlay und rang nach Luft, so
schmerzte ihn die Brust. »Ich bringe Euch um! Ich bringe Euch
um!«
Gregor lachte ihn aus, und Finlay zog die Pistole und zerschoß den Bildschirm. Gregors Gesicht zersplitterte, und der
Monitor fiel stückweise zu Boden. Rauch stieg aus dem Inneren des Apparats auf. Danach war es ganz still, abgesehen von
Evangelines Schluchzen. Finlay stand da, die Pistole noch in
der Hand, und wollte sich überlegen, was als nächstes zu tun
war, aber Gregors gehässige Worte füllten seinen Kopf aus und
verjagten jeden anderen Gedanken. Finlay zweifelte nicht einen
Augenblick, daß es die Wahrheit gewesen war. Es war genau
das, was man von Gregor Shreck erwarten konnte. Endlich
steckte Finlay die Waffe weg und drehte sich langsam zu
Evangeline um.
»Warum hast du mir nichts davon gesagt?« fragte er.
»Weil ich wußte, daß du so reagieren würdest. Weil ich wußte, daß du wütend und verletzt sein würdest. Weil ich dachte,
wenn du es wüßtest … würdest du mich verlassen. Würdest du
nicht mehr die gleichen Gefühle für mich hegen.«
»Hast du dir nie … etwas aus Gregor gemacht?«
»Natürlich nicht! Ich war sein Eigentum! Ich hatte keine
Wahl. Entweder tat ich, was er sagte, oder er hätte mich umgebracht und einen neuen Klon hergestellt, der ihm zu willen war.
Ich tat, was nötig war, um zu überleben.«
»Ich werde ihn umbringen«, erklärte Finlay. »Auf der ganzen
Welt findet man nicht genug Wachleute, die mich davon abhalten könnten. Du bleibst hier und schließt die Tür hinter mir ab.
Mach sie nicht auf, ehe ich zurückkehre. Und vielleicht bringe
ich dir Gregors Kopf mit, eingewickelt in ein Bettlaken.«
»Nein, Finlay! Deshalb hat er ja angerufen und dir das alles
gesagt. Es muß eine Falle sein!«
»Natürlich ist es das. Aber das hält mich auch nicht auf.«
»Du kannst ihn nicht töten, Finlay. Es ist nicht mehr wie früher während der Rebellion, als du den Schutz der Untergrundbewegung genossen hast. Der Krieg ist vorbei; man würde es
als Mord bezeichnen, und niemand würde deine Partei ergreifen. Man würde dich als gewöhnlichen Mörder aufhängen.«
»Sollen sie es nur versuchen!« drohte Finlay. »Evie, wie
konntest du etwas Derartiges vor mir geheimhalten? Wir hatten
uns doch geschworen, keine Geheimnisse voreinander zu haben. Wie konntest du nur so etwas Wichtiges für dich behalten? Hattest du kein Vertrauen zu mir?«
»Oh, du bist vielleicht der Richtige, um über Geheimnisse zu
reden, Finlay Feldglöck! Wirst du jemals Julian Skye die
Wahrheit sagen? Daß der Mann, den er so sehr bewundert, derselbe Maskierte Gladiator ist, der seinen Bruder Auric umbrachte?«
»Das ist etwas anderes!« erwiderte Finlay. Und dann hielt er
inne, denn er hörte einen angespannten Laut hinter sich. Er
blickte sich um, und dort stand in der offenen Tür Julian Skye.
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