Todtsteltzers Ehre
Das Gesicht des jungen Espers war totenbleich, aber seine
dunklen Augen bohrten sich in die Finlays.
»Julian …«
»Du hättest es mir sagen sollen, Finlay. Du hättest es mir bei
unserer ersten Begegnung sagen sollen. Wie konntest du nur so
etwas tun?«
»Ich habe eine Menge Leute in der Arena umgebracht«, sagte
Finlay. »Damals, als ich als der zweite Maskierte Gladiator
auftrat. Auric war nur irgendeiner von ihnen. Ich habe erst erfahren, daß er dein Bruder war, als wir schon Freunde geworden waren. Und ich habe es dir nie erzählt, weil ich wußte, wie
sehr es dich schmerzen würde.«
»Und wer war der Maskierte Gladiator, den ich während der
Rebellion getötet habe?«
»Das war Georg McCrackin, der erste Mann unter der Maske. Er war mein Lehrer. Ich habe die Rolle von ihm übernommen.«
»Ich habe also einen Unschuldigen getötet.«
»Er stand auf der Seite der Imperatorin! Er hätte sich nie ergeben. Er hätte dich umgebracht.«
»Ein Unschuldiger. Du verdammter Mistkerl! Hieltest du das
vielleicht für komisch? Hast du dich richtig abgelacht, als der
Bruder des Mannes, den du ermordet hast, dir wie ein Hündchen nachlief?«
»Nein, Julian! So war es nie!«
»Ich gehe für eine Zeitlang fort. Ich möchte nicht, daß du
mich anrufst. Ich nehme Kontakt zu dir auf, wenn ich entschieden habe, was ich tun werde. Wenn ich entschieden habe, ob
ich dich umbringe oder nicht.«
Er drehte sich um und ging, und Finlay wäre ihm am liebsten
nachgerannt, verzichtete aber darauf. Im Moment konnte er
nichts sagen, was die Sache nicht noch schlimmer gemacht
hätte. Er stand schweigend mitten im Zimmer, zwischen den
Trümmern seiner Welt. Innerhalb weniger Minuten hatte er
seinen Freund verloren und vielleicht auch seine Geliebte, beide das einzige, was ihm etwas bedeutete. Er wollte losziehen
und Gregor umbringen und im Gemetzel Trost suchen, brachte
es aber nicht über sich. Nicht jetzt, während so viele Probleme
ungelöst waren. Also ging er zum Bett zurück, setzte sich neben die schluchzende Evangeline, nahm sie in die Arme und
tröstete sie, so gut er konnte. Und ließ den blutroten Zorn im
Herzen schwelen.
In der besten Suite, die das beste Hotel in Parade der Endlosen zu bieten hatte, lag SB Chojiro friedlich auf dem riesigen Bett,
während Kardinal Brendan sie über die neuesten Entwicklungen ins Bild setzte. SB genoß es, hin und wieder ein wenig
Luxus zu haben, und sah keinen Grund, warum sie sich etwas
versagen sollte, nur um ihrem Clan ein paar Pennies zu sparen.
Außerdem erwarteten die Leute, mit denen sie zu tun hatte, daß
sie sie in einer Umgebung empfing, die ihnen gefiel. Es war
unumgänglich, daß diese Leute SB als zumindest ebenbürtig
betrachteten, andernfalls hätten sie keine Abkommen mit ihr
getroffen. Sie bemerkte, daß Brendan nicht mehr sprach, und
wandte träge den Kopf auf dem Kissen, um ihn anzusehen.
»Ja? Habt Ihr ein Problem?«
»Nein. Ich frage mich nur … wie habt Ihr es nur geschafft,
offizielle Sprecherin des Schwarzen Blocks zu werden? Vor der
Rebellion hatte ich von Euch nie etwas gehört.«
SB Chojiro lächelte. »Ich bin die Sprecherin, weil der Schwarze Block es so möchte. Das ist auch alles, was Ihr zu
erfahren braucht. Aber o Eitelkeit, dein Name ist Frau, und
deshalb gefällt es mir, Euch darüber zu informieren, daß ich
das Ergebnis umfangreicher Planung und Programmierung bin,
genau für diese Aufgabe gestaltet. Ich bin die Stimme des Schwarzen Blocks . Ich denke die Gedanken, die der Schwarze
Block mir eingibt.«
»Aber … wieviel von Euch ist noch übrig?« fragte Brendan.
»Ich meine, von Eurem wirklichen Selbst. Der ursprünglichen
SB Chojiro.«
»Ah«, sagte SB. »Ihr wärt erstaunt! Sagen wir einfach: mehr
als Ihr denkt. Aber es ist auch egal. Die Interessen der Organisation sind meine, und umgekehrt.«
»Aber warum …«
»Warum man mich ausgesucht hat, unter allen Personen, auf
die der Schwarze Block Zugriff hatte? Man hat es mir nie erklärt. Vermutlich genetische Kriterien. Man ließ meine Eltern
töten, als ich noch ganz klein war, und nahm mich dem Clan
weg, damit ich keine Bindungen mehr hatte außer dem Schwarzen Block , und damit ich niemandem sonst gegenüber
loyal war. Ich habe nie eine Familie gehabt oder erfahren, wie
das sein könnte, also kann ich nicht ehrlich behaupten, ich hätte
etwas verloren. Der Schwarze Block ist mein Vater und meine
Mutter und alle meine Geschwister. Er hat mich zu dem
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