Todtsteltzers Ehre
lief so gut. Bis die Hadenmänner nach Lachrymae Christi kamen.
Owen entnahm manches davon Mutter Beatrice’ Worten und
anderes Schwester Marions beißenden Bemerkungen. Einen
Teil hatte er schon von den Kolonisten erfahren. Es paßte zu
dem, was er früher über die Heilige von Technos III gehört
hatte. Er musterte sie unauffällig, während er aß, und hielt dabei Ausschau nach einer Art Heiligenschein, einem Gefühl der
Rechtschaffenheit, aber Mutter Beatrice wirkte einfach nur
beruhigend normal und gelassen. Trotzdem strahlte sie eine
besondere Qualität aus, eine Atmosphäre der Konzentration.
Owen fragte sich müßig, ob es das war, was die Leute manchmal in ihm erblickten. In diesem Moment fiel ihm auf, daß
Schwester Marion gerade Mutter Beatrice ausschimpfte, und er
hörte hin. Die Schwester ließ sich wohl von niemandem etwas
gefallen, nicht mal von Sankt Bea.
»Falls Ihr nicht etwas weniger arbeitet, landet Ihr noch in einem Eurer eigenen Krankenhausbetten«, sagte Schwester Marion zornig. Sie hatte den Hexenhut zum Abendessen nicht
abgesetzt, und die langen Fahnen daran hüpften heftig, während sie Schwester Mutter Beatrice anfunkelte. »Ihr arbeitet
schwerer als irgend jemand sonst und findet nicht annähernd
genug Schlaf. Ihr nützt niemandem etwas, wenn Ihr vor Erschöpfung auf den Beinen schwankt. Und Ihr braucht gar nicht
zu erwarten, daß ich Euch als Oberschwester ablösen würde.
Ich kann zwar mit Verbänden und Bettpfannen umgehen, aber
ich habe keine Begabung dafür, mit den Leuten zu reden oder
ihnen das Händchen zu halten oder die Stirn abzuwischen und
all diesen Unfug. Das fällt in Eure Zuständigkeit.«
»Seid still, Marion«, sagte Mutter Beatrice voller Zuneigung.
»Nach meiner Zeit auf Technos III ist das hier ein Picknick.
Außerdem habe ich nie viel Schlaf gebraucht.«
Schwester Marion sah sie böse an; sie war nicht überzeugt.
Man konnte erkennen, daß diese Auseinandersetzung schon oft
stattgefunden hatte und es wieder dazu kommen würde.
»Wir müssen mehr über die Angriffe der Hadenmänner erfahren«, sagte Owen und schob den Teller von sich. Er war
immer noch mehr als halb voll, und Hazel transferierte den
Inhalt sofort auf den eigenen Teller. Das erstaunte Owen nicht.
Ha/el aß alles, wenn sie hungrig genug war. Er konzentrierte
sich auf Beatrice. »Wieviel Zeit vergeht zwischen zwei Angriffen? Normalerweise?«
»Manchmal Tage, manchmal Stunden«, antwortete Mutter
Beatrice. Sie klang auf einmal müde. »Die Hadenmänner sind
vor etwas über einem Monat zum ersten Mal aufgetaucht. Eine
Warnung ist nicht erfolgt. Kein Ultimatum. Wir wurden völlig
überrascht. Als erstes bekamen wir mit, daß einige der äußeren
Siedlungen nicht mehr auf unsere Anrufe reagierten. Dann trafen die ersten Flüchtlinge ein und berichteten von Tod und Zerstörung. Die wenigen, die sich ergaben, wurden gnadenlos niedergemacht. Wir verloren viele Menschen, bis ich Befehl
erteilte, die Außensiedlungen aufzugeben. Dann kamen die
Hadenmänner hierher. Wir bauten unsere Befestigungen aus,
und jeder hier erlernte den Umgang mit einer Waffe. Die
Ruhmreichen Schwestern erwiesen sich dabei als chen Schwestern erwiesen sich dabei als ausgezeichnete Lehrerinnen. Und dann haben wir noch Oberst Wilhelm Hand und
Otto. Ihr werdet sie später kennenlernen.«
»Viel später, falls Ihr noch über Verstand verfügt«, warf
Schwester Marion ein.
»Es sind gute Kämpfer«, erwiderte Mutter Beatrice tadelnd.
»Es sind verdammte absolute Psychopathen!«
»Was man nur erkennt, wenn man selbst einer ist, meine Liebe. Und heutzutage ist ihre … Einstellung doch von Vorteil.«
Mutter Beatrice betrachtete finster ihre Hände, die sie auf dem
Tisch gefaltet hatte. »Bei jedem Angriff der Hadenmänner verlieren wir mehr Leute. Meine Leute sind tapfer genug und
kämpfen gut, aber Leprakranke stoßen als Kämpfer an ihre
Grenzen. Selbst die kleinste Verletzung kann sich rasch als
tödlich erweisen. Es liegt am Regen und der allgegenwärtigen
Feuchtigkeit. Alles verfault. Alles.«
»Wie lange liegt der letzte Angriff zurück?« fragte Mond mit
seiner summenden, nichtmenschlichen Stimme.
»Drei Tage«, antwortete Schwester Marion, die sich gerade
mit dem Tafelmesser die grünen Fingernägel schnitt. »Sie
könnten jederzeit wieder auftauchen.« Sie blickte auf und fixierte Mond mit ihren strahlenden, kalten Augen. »Bereit für
ein wenig Beschäftigung, Hadenmann?«
»Nennt mich Mond. Und ja, ich werde kämpfen. Um
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