Todtstelzers Krieg
Partyhäppchen musterten, die man
auf einem improvisierten Büfett zusammengetragen hatte. Ihre
ungeahnten Fähigkeiten waren zusammen mit der Mater Mundi
wieder verschwunden, und sie fühlten sich im großen und ganzen wie völlig normale Menschen. Ihre Wunden waren verheilt, und die bleierne Erschöpfung war ebenfalls gewichen;
aber sie hatten das Gefühl, als brauchten sie beide noch eine
ganze Weile, um mit den übernatürlichen Wundern zurechtzukommen, die sie vollbracht hatten . Ihre Heldentaten bei den
Straßenkämpfen waren nicht unbeobachtet geblieben, und einige Leute machten sich tatsächlich die Mühe, die beiden zu suchen und ihnen zu danken und zu gratulieren, wenn auch insgesamt betrachtet die meisten es vorzogen, den überlebensgroßen Jakob Ohnesorg zu ihrem Idol zu erheben.
An Ohnesorgs Seite stand Donald Royal. Der alte Bursche
schien zu neuer Kraft und neuem Leben erwacht zu sein. Die
Schlacht hatte ihn revitalisiert, und er fühlte sich wieder wie in
jungen Jahren. Damals war er ein großer Held gewesen, und
außerdem hatte er sich nie wirklich mit einem friedlichen Leben anfreunden können. Jetzt fühlte er sich endlich wieder wie
er selbst, volltrunken bis zum Rand, und er war fast hundertprozentig sicher, daß er am nächsten Tag bitter würde dafür
zahlen müssen … aber darüber würde er nachdenken, wenn es
soweit war. Die Leute brüllten seinen Namen und den von Jakob Ohnesorg, und sie prosteten ihm zu wie in den alten Zeiten. Ohnesorg legte den Arm um Donalds Schulter, und für den
Rest des Abends waren die beiden unzertrennlich. Madeleine
Skye hielt sich in Donalds Nähe und redete sich unaufhörlich
ein, daß nicht nur ihre Eifersucht daran schuld war, daß sie
dem legendären professionellen Rebellen noch immer nicht so
recht über den Weg traute.
An der Theke auf der anderen Seite machten Cyder und Katze sich ernsthaft über die Champagnerbestände her.
Sie tranken stets nur das Beste – insbesondere wenn jemand
anderes die Rechnung unterschrieb. Und je weiter sich der Pegel in der dritten Flasche dem Boden näherte, desto melancholischer wurde Cyder wegen des Verlustes ihrer schönen Taverne.
»Wir bauen einen neuen Schwarzdorn «, versprach sie Katze
mit einem schwachen Lallen in der Stimme . »Für eine Weile
können wir vom Geld der Versicherung leben, und ich werde
ein paar sichere Dinger für dich organisieren. Nach dieser Geschichte muß es jede Menge leichte Beute geben. Die Wachen
sind mit anderen Dingen beschäftigt. Die alte Mannschaft reitet
wieder. Ach, was zur Hölle. Vielleicht sind wir beide auch gar
nicht für ein ehrbares Leben geschaffen.«
John Silver kam herbei, um Hazel und Owen seinen Dank
auszusprechen. Er war in so viele Verbände gewickelt, daß er
sich kaum bewegen konnte, doch er machte einen fröhlichen
Eindruck. Owen beschloß, diplomatisch zu sein, und entschuldigte sich für einen Augenblick, so daß Hazel und Silver sich
ungestört unterhalten konnten. Nachdem er gegangen war,
standen sich die beiden eine Weile schweigend gegenüber und
starrten sich nur fest in die Augen.
»Ich nehme nicht an, daß ich dich überreden kann, in Nebelhafen zu bleiben?« begann Silver schließlich die Unterhaltung.
»Nein. Ich gehe dahin, wo die Rebellion mich braucht, und
hier braucht sie mich nicht mehr.«
»Brauchst du vielleicht ein wenig Wampyrblut für unterwegs? Ich könnte dir …«
»Nein danke. Ich brauche es nicht mehr.«
»Das dachte ich mir. Du scheinst mich auch nicht mehr zu
brauchen.«
»Es hat gutgetan, dich wiederzusehen, John; aber du bist
meine Vergangenheit. Ich habe mich seit damals verändert, und
du kannst mir nun nicht mehr folgen. Was wirst du als nächstes
tun?«
»Ich helfe beim Wiederaufbau des Raumhafens – wenn er
denn wieder aufzubauen ist.«
»Der Untergrund von Golgatha wird euch alles an Technik
liefern, was ihr braucht.« Sie nippte an ihrem Wein als Zeichen, daß sie das Thema zu wechseln gedachte. »Du weißt
nicht zufällig, was aus Chance und seinen Kindern geworden
ist, oder?«
»Oh, denen geht’s soweit ganz gut«, antwortete Silver leichthin. »Kerle wie er fallen immer auf die Füße. Die Espervereinigung kümmert sich um die Kinder. Sie befinden sich irgendwo hier im Haus. Ich schätze, die Verantwortlichen fühlen sich
ein wenig schuldig, daß sie die Kinder jemandem wie Chance
überlassen haben, und wenn auch nur aus dem Grund, daß sie
nicht an die dunkle Seite des ESP
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