Todtstelzers Krieg
der kleine
Skelettjunge. Alles starrte in den Himmel hinauf.
»Ich habe immer gewußt, daß Menschen mein Tod sein würden«, stöhnte er. »Ich hätte mich niemals zu dieser Mission
melden sollen.«
»Du darfst nicht sterben!« schluchzte Poogie. »Du darfst
mich nicht allein lassen!«
»Nicht, daß ich eine Wahl hätte. Du mußt weitermachen,
Poogie. Finde den Roten Mann und tritt ihm in den Hintern.
Und laß dir von diesen verdammten Menschen nichts erzählen.
Sieh zu, daß sie von hier verschwinden. Ich will sie nicht in
meiner Nähe haben. Irgend jemand soll mir dieses verdammte
Licht aus den Augen schaffen!«
Reineke Bär griff nach etwas, um Schatten zu spenden …
und hielt inne, als er begriff, daß Alles tot war. Poogie nahm
den Metallmann in die Arme und weinte bitterlich, und seine
Tränen waren genauso real wie die eines jeden Menschen.
Flynn schaltete die Kamera ab.
Hoch oben am Himmel kämpften die Superspielzeuge weiter,
als wäre nichts geschehen. Die niederen Wesen unten auf der
Erde kümmerten sie einen Dreck.
Das Schiff tuckerte den ganzen Tag hindurch über den Fluß,
und die Kampfgeräusche wurden stetig lauter. Inzwischen
konnten die Rebellen schon die einzelnen Explosionen unterscheiden, aus denen das endlose Donnergrollen bestand. Jetzt
hing auch Rauch in der Luft, und nach und nach sperrte er das
Tageslicht aus, bis es schien, als wäre überraschend früh der
Abend angebrochen. Menschen und Spielzeuge beobachteten
die Szenerie von verschiedenen Seiten des Decks aus. Seit Al
les’ Tod waren sie einander aus dem Weg gegangen.
Das Schiff wurde langsamer, als Wrackteile in den dunklen
Fluten trieben. Und dann trieben auch Spielzeugleichen an ihnen vorüber. Es waren unzählige. Auf beiden Ufern brannten
jetzt Bäume, und schwerer dunkler Rauch quoll in den falschen
Abendhimmel. Einige Hecken waren bereits völlig niedergebrannt: Tote Bäume in einer toten Landschaft aus aufgewühlter
Erde, Schützengräben und Bombenkratern. Hellbunte Farben
zuckten lebhaft über den Himmel, Explosionsblitze und die
herabsegelnden falschen Sterne von Leuchtraketen.
Die Spielsachen an Bord wurden unruhig.
Der Seebock starrte unverwandt geradeaus. Er hatte die Augen weit aufgerissen und die Nüstern gebläht und sah aus, als
würde tief in ihm die Programmierung von Shub darum kämpfen, wieder die Oberhand zu gewinnen.
Reineke Bär drückte die Hand des Bocks in seiner Pfote so
fest, wie er nur konnte . Poogie hatte sich zu einer Kugel zusammengerollt und die Augen fest geschlossen, als suche er die
Flucht vor alten Erinnerungen von Blut und Tod. Halloweenie
saß vor Julians Kabinentür Wache und rührte sich nicht.
Und dann waren sie mit einemmal mitten im Krieg. Spielzeugarmeen wimmelten an beiden Ufern, rannten mit grenzenloser Kraft und Wildheit hierhin und dorthin und gehorchten
gebrüllten Befehlen. Sie trugen alle möglichen Arten von Waffen, von grob gehämmerten Klingen bis hin zu Energiepistolen .
Granaten segelten durch die Luft, und Dreck und zerfetzte
Spielzeuge wirbelten bei jeder Explosion umher .
Überall waren Handgemenge im Gang . Spielzeug kämpfte
gegen Spielzeug, ohne Strategie oder Plan. Eine breite Masse
von Tod und Zerstörung und Chaos, sonst nichts. Die Menschen und Spielzeuge an Bord der Missis Merry Truspott duckten sich, als Raketen über ihre Köpfe zischten und auf entgegengesetzten Ufern explodierten.
»Woher zur Hölle haben sie nur all diese Waffen?« fragte
Finlay mit lauter Stimme, um den Lärm zu übertönen.
»Von Shub«, antwortete der Seebock, ohne sich zu bewegen .
»Sie waren dazu gedacht, gegen die Menschen eingesetzt zu
werden. Und einige haben wir selbst hergestellt. Shub gab uns
das nötige Wissen.«
»Kann jemand erkennen, wer gewinnt?« fragte Tobias. »Die
guten oder die bösen Spielzeuge?«
»Niemand gewinnt hier«, erwiderte Reineke Bär. »Hier wird
nur gestorben, mehr nicht.«
Und in diesem Augenblick, als hätten die kämpf enden Spielzeuge das Schiff erst jetzt entdeckt, eröffneten die Armeen zu
beiden Seiten des Flusses das Feuer auf die Missis Merry
Truspott . Das Limonadenwasser ringsum spritzte hoch und
aufs Deck, als zu kurz geworfene Granaten und Bomben dicht
neben dem Schiff explodierten. Menschen und Spielzeuge gleichermaßen klammerten sich an die Reling, um nicht weggespült zu werden. Energiestrahlen schossen aus dem Dunkel und
durchbohrten den Schaufelraddampfer an mehreren Dutzend
Stellen gleichzeitig. Das Deck erzitterte unter den
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