Todtstelzers Krieg
sich Erkennen auf ihrem
Gesicht ab. »Tobias! Cousin Tobias!«
Sie rannte in seine Arme. Tobias drückte sie fest an sich;
dann zog er seine mitgenommene Jacke aus und wickelte sie
darin ein. Klarissa blickte sich um und sah zum ersten Mal die
Hölle, in die Löwenstein ihren Hof verwandelt hatte.
»Sind wir tot, Tobias?«
»Nein, Cousine. Du lebst wieder. Die Rebellion ist zu euch
gekommen, und alle Gefangenen erhalten ihre Freiheit zurück.« Er drehte sich zu den anderen um. »Sie gehört zu meiner
Familie. Sie ist die Nichte des Shreck. Die Löwenstein stahl sie
meinem Onkel Gregor und verwandelte sie in ein Monster, und
niemand von uns konnte etwas dagegen tun. Ich danke Euch,
Johana. Wobei mir der Gedanke kommt, daß eine ganze Menge
Leute Euch wahrscheinlich danken wollen.«
»Keine große Sache«, erwiderte Johana Wahn. »Ich bin der
Meinung, daß es genug Blutvergießen gegeben hat. Das ist
Löwensteins Weg. Wir sind anders, oder wir sollten zumindest
anders sein. Ihr und Flynn, Ihr kümmert Euch um die Jungfrauen. Wir sind noch immer nicht mit unserer Arbeit am Ende.«
Und während Tobias und Flynn die Jungfrauen aufsammelten und aus der Schußlinie scheuchten, trat Johana vor den
Thron und konfrontierte die Löwenstein aufs neue. Und dann
hielt sie inne, denn Kapitän Schwejksam trat unsicher vor und
starrte sie mit fragenden Blicken an. Sie erwiderte seine Blicke,
ohne ihm die Sache leichter zu machen, aber schließlich erhellte sich Schwejksams Gesicht.
»Diana?«
»Nein, das bin ich nicht mehr«, erwiderte Johana. »Das war
jemand anderes.«
»Du bist kaum wiederzuerkennen . Du siehst so … anders
aus.«
»Das nennt man erwachsen werden , Kapitän. Irgendwann
geschieht das mit jedem.«
»Er kennt diese Person?« fragte die Löwenstein mit gerunzelter Stirn.
»Selbstverständlich«, antwortete Frost für ihn. »Das ist seine
Tochter Diana. Diana Vertue. Sie war Schiffsesper auf seinem
letzten Schiff.«
Schwejksam blickte zu Frost. »Das wußtet Ihr? Seit wann?«
»Ich erkannte ihr Bild in einer Postille der Sicherheit. Es war
vor ein paar Monaten.«
»Und warum habt Ihr mir nichts gesagt?«
»Ihr wart noch nicht bereit, es zu verdauen. Ich bin nicht
einmal sicher, ob Ihr es jetzt seid. Und ich wollte nicht, daß es
Euch von Eurer Verantwortung für das Schiff und Eure Leute
ablenkt.«
Schwejksam drehte sich wieder zu Johana Wahn um. »Man
hat mir erzählt, daß du dich dem Untergrund angeschlossen
hättest. Aber was ist aus dir geworden? Was ist mit deiner
Stimme? Du siehst aus …«
»Als wäre ich durch die Hölle gegangen? Das bin ich. Dieser
Ort hier jagt mir keinen Schrecken mehr ein. Ich habe die echte
Hölle gesehen . Ich bin nicht mehr Diana Vertue. Sie starb
schreiend in den Verhörzellen von Silo Neun, auch bekannt als
Hölle des Wurmwächters . Jetzt bin ich Johana Wahn. Für heute
und für immer. Aber sind wir nicht beide andere Menschen als
früher, Vater? Auch du hast dich verändert. Aus dieser Nähe
kann ich spüren, wie die Energien des Labyrinths des Wahnsinns in dir brennen . Wie fühlt es sich an, Vater, zu wissen, daß
man zur gleichen Sorte Person geworden ist, die man früher
gejagt und getötet hat?«
»Diana …«
»Johana. Ich heiße Johana.«
»Also schön, Johana. Ich hatte keine Ahnung, daß man dich
in Silo Neun gesteckt hat. Wenn ich es gewußt hätte, wäre ich
…«
»Was? Willst du sagen, du wärst mit Gewalt in eins der bestbewachten Gefängnisse des Imperiums eingebrochen, um mich
zu retten?«
»Ja«, sagte Schwejksam einfach. »Wenn ich es gewußt hätte,
wäre ich zu dir gekommen.«
Johana nickte langsam. »Ja. Vielleicht hättest du das wirklich
getan. Aber das ist nicht geschehen. Auf Unseeli hast du mir
etwas versprochen, Vater. Du hast versprochen, nie wieder
zuzulassen, daß man mich quält. Du hast mich belegen, Vater.«
»Es tut mir leid, mein Kind. Es tut mir so unendlich leid.«
»Und jetzt stehen wir hier, auf unterschiedlichen Seiten, und
führen Krieg gegeneinander. Und all das nur wegen der Eisernen Hexe. Wie kannst du sie nur immer noch verteidigen, nach
allem, was sie getan hat? Nach allem, was sie mir angetan
hat?«
»Sie ist meine Imperatorin«, antwortete Schwejksam.
Die Löwenstein sprang von ihrem Thron herab, stolzierte zu
Schwejksam und schlug ihm hart ins Gesicht. Sein Kopf flog
nach hinten, doch er blieb stehen. Die Löwenstein brachte ihr
Gesicht ganz dicht vor das seine, so dicht, daß ihr
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