Todtstelzers Schicksal
Triebwerk
rollte langsam wieder auf Mond zu. Seine untere Körperhälfte
war völlig taub und nutzlos, aber er schleppte sich mit Hilfe der
Arme über den Boden aus dem Weg. Er kroch weiter durch die
Metallpassage, und die zerschmetterten Beine zogen eine dicke
Blutspur hinter sich her. Die körpereigenen Sensoren bombardierten ihn mit Schadensmeldungen, aber da nichts davon unmittelbar lebensbedrohend war, missachtete er sie ebenso wie
den Schmerz und konzentrierte sich nur darauf, aus dem Schiff
zu kommen, damit er sah, was aus Schwester Marion geworden
war.
Vor dem Schiff hatten sich die Leprakranken um ein zerfetztes blutiges Etwas versammelt. Mond kroch durch den Riss im
Schiffsrumpf und stürzte auf die Lichtung hinunter. Zwei der
Leprösen kamen zu ihm herüber, und er bat sie, ihn zu den
Überresten Schwester Marions zu bringen. Sie war noch am
Leben, aber Mond erkannte mit einem Blick, dass sie nicht
mehr lange durchhalten würde. Die gebrochenen Gliedmaßen
hingen kaum noch am Körper; der Atem ging rau, und jeder
Zug war eine Mühsal. Mond wies die beiden Leprakranken an,
ihn neben ihr abzusetzen. Sie drehte die Augen und sah ihn an.
Zum ersten Mal, seit er sie kannte, wirkte sie auf ihn klein und
zerbrechlich und sehr menschlich.
»Es tut mir leid, Schwester«, sagte Mond. »Es tut mir so
leid.«
»Ihr braucht keine Schuldgefühle zu haben, mein Sohn. Ich
lag ohnehin im Sterben. Besser so, als was mich sonst erwartet
hätte.«
»Liegt still. Ich schicke die anderen, um Hilfe zu holen.«
»Ich werde lange tot sein, ehe sie zurückkehren. Ihr seid angeblich schon drüben gewesen, Tobias. Wie ist es, wenn man
tot ist?«
»Friedvoll.«
»Scheiße«, sagte Schwester Marion. »Ich werde es verabscheuen.«
Sie hörte auf zu atmen, und so einfach war es vorbei. Keine
letzten Todeszuckungen oder Krämpfe, nichts Dramatisches.
Nur eine tapfere Seele, die zu ihrem Schöpfer ging, wahrscheinlich, um ihm einige gezielte Fragen zu stellen. Mond stellte erstaunt fest, dass er weinte, und die Tränen vermischten sich mit
dem Regen, der ihm übers Gesicht lief. Endlich verstand er, wozu Tränen da waren, und verfluchte dieses Wissen. Er streckte
die Hand aus und schloss die starren Augen der Schwester.
Die Leprakranken bauten aus loser Vegetation eine Trage für
Mond. Er spürte, dass die Heilung in ihm eingesetzt hatte, aber
er hatte keine Ahnung, wie lange sie dauern würde oder wie
viel von seinem Körper wiederhergestellt werden konnte. Statt
darüber nachzudenken, überlegte er sich lieber, wie er das
Triebwerk befördern sollte, und fand schließlich eine Lösung.
Er verband sich erneut mit dem Roten Hirn, und gemeinsam
nutzten sie die langsame, unerbittliche Kraft des umgebenden
Dschungels, um in das Wrack zu langen und das Triebwerk
zentimeterweise herauszuzerren. Die Explosion hatte dem Behälter nicht mal Kratzer verpasst. Der Dschungel wickelte ihn
in einen dichten Pflanzenkokon und transportierte ihn langsam
zur Missionsstation, indem er die Last von einer Pflanzenmasse
an die nächste weiterreichte. Die Leprakranken lösten sich an
Monds Trage ab.
Sie ließen die Leiche Schwester Marions dort zurück, wo sie
lag.
In der Missionsstation hatte die Oberste Mutter Beatrice die
Hände voll mit etwas Widerlichem. Sankt Bea sezierte einen
der toten Grendels. Owen sah ihr aus respektvoller Entfernung
zu und tat sein Bestes, das Abendessen dort zu behalten, wo es
hingehörte. Er hatte sich nie für zartbesaitet gehalten, aber die
bunten Formen, die eng gepackt in der scharlachroten Siliziumpanzerung eines Grendels zu finden waren, hatten etwas
besonders Abstoßendes an sich. Das verdammte Ding war seit
zwei Wochen tot, und Teile seines Innenlebens zuckten immer
noch. Als Sankt Bea mit einem sorgfältig im richtigen Winkel
angesetzten Disruptorstrahl die erste Öffnung vorgenommen
hatte, hatte Owen sogar halb erwartet, ein Strang fauliger grüner Innereien würde daraus hervorschießen und Sankt Bea erwürgen. Stattdessen lag das Ding einfach da und stank ekelhaft. Owen hoffte, dass das, was er zum Abendessen hatte, was
immer es gewesen war, beim Hochkommen nicht genauso
schlimm schmeckte wie beim Hinunterschlucken.
»Hier«, sagte Sankt Bea und reichte Owen etwas, das viel zu
blau und glitschig aussah, um bekömmlich zu sein. »Haltet dies
für einen Augenblick, ja?«
»Nicht eine Sekunde lang!«, wehrte sich Owen entschieden.
»Der Herrgott hat die Innereien aus
Weitere Kostenlose Bücher