Todtstelzers Schicksal
goldenen
Pelz bedeckt. Die Beine waren die nach hinten durchgedrückten Beine eines Zehengängers, wie beim Wolf, und die überdimensionierten Hände und Füße waren mit langen, schartigen
Klauen bewehrt. Im wölfischen Schädel zeigte ein beunruhigendes Lächeln scharfe Zähne. Die Augen waren groß, wirkten
intelligent und überwältigend grimmig. Schon wie er dort
stand, selbst ganz reglos, machte der Wolfling einen sehr, sehr
gefährlichen Eindruck.
Owen hielt die Hände demonstrativ auf Distanz zu seinen
Waffen. Er hatte noch nie so recht gewusst, wie er mit Wulf
dran war, und jetzt hatte er noch mehr Grund zur Vorsicht. Hazel hielt sich dicht neben ihm und bedachte den Wolfling mit
unverwandtem, finsterem Blick, nur um zu zeigen, dass sie
nicht beeindruckt war; Owen spürte jedoch, dass sie gespannt
war wie eine Sprungfeder. Auch Kapitän Schwejksam und Carrion standen dicht beisammen, und Carrion hielt die Energielanze nicht mehr wie einen Stab. Der Wolfling musterte seine
Besucher ausgiebig und heftete dann den beunruhigenden
Blick auf Schwejksam.
»Ich erinnere mich an Euch, Kapitän. Wir sind uns bei Eurem
letzten Besuch nur kurz begegnet, aber ich erinnere mich an
Euch. Ihr glaubtet, Ihr könntet das Labyrinth des Wahnsinns zerstören.«
»Ich habe meine Pflicht getan«, entgegnete Schwejksam.
»Selbstverständlich. Genau das haben auch die anderen Menschen gesagt, während sie vor all den vielen Jahren meine Artgenossen jagten und töteten und weder mit Frauen noch mit
Jungen Mitleid hatten. Habt Ihr in dieser ganzen Zeit keine
neuen Ausreden für Eure Zerstörungswut gefunden?«
»Nein«, sagte Carrion. »Sie haben auch mein Volk vernichtet. Die Ashrai. Aber trotz alledem habe ich meinen Frieden
mit dem Mann gemacht, der ihre Vernichtung befahl, und Kapitän Schwejksam ist wieder mein Freund. Ich bürge für ihn.«
»Und wer bürgt für Euch, Mensch?«, fragte der Wolfling.
»Die Ashrai. Falls nötig. Beten wir lieber alle, dass ich nicht
gezwungen sein werde, sie zu rufen. Sie würden nicht viel von
Eurem verletzlichen, schönen Wald stehen lassen.« Carrion
betrachtete den Wolfling mit beinahe trauriger Miene. »Ich
fühle mit Euch in Eurem Verlust, Freund Wulf, aber wir sollten
einander richtig verstehen: Wir sind gekommen, um zu tun,
was nötig ist, und wir werden es tun, ob falsch oder richtig, mit
oder gegen Euch, wie es die Notwendigkeit gebietet. Ich habe
ein Volk verloren und könnte nicht ertragen, ein weiteres zu
verlieren. Können wir nicht Freunde sein, Wulf – angesichts
eines solch dunklen Übels wie die Neugeschaffenen?«
Der Wolfling lachte plötzlich und schüttelte das zottige
Haupt. »Ihr wisst nicht einmal, was die Neugeschaffenen
sind.«
»Und wisst Ihr es?«, fragte Owen.
»Oh, Euch würde verblüffen, was ich alles weiß, junger
Todtsteltzer! Kommt, wir vergeuden Zeit, und wir haben nicht
mehr viel davon, das wir noch vergeuden könnten. Das Labyrinth des Wahnsinns ist zurückgekehrt, und das Baby kommt
zu sich.«
»Ich bin froh, dass das Labyrinth wieder da ist«, sagte
Schwejksam. »Ich habe mich doch immer ein bisschen schuldig gefühlt, weil ich etwas so … Außergewöhnliches zerstört
habe. Wie ein Barbar, der eine Stadt niederreißt, weil er nicht
fortschrittlich genug ist, um sie würdigen zu können. Aber das Labyrinth hat meine Leute getötet und stellte eine Gefahr da,
also … Allerdings habe ich die Sache mit dem schlafenden
Baby nie begriffen. Ist es wichtig?«
»Das könnte man sagen«, antwortete Hazel, die sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte. »Es ist Giles Todtsteltzers Klon.
Es ist auch ein Wesen von unkalkulierbarer Macht. Ihr kennt es
unter der Bezeichnung Dunkelwüsten-Projektor .«
Schwejksam sah sie erschrocken an. »Ein Baby war für all
diesen Tod und all diese Verwüstung verantwortlich? Das
glaube ich nicht!«
»Glaubt es nur«, sagte der Wolfling und zeigte sein verstörendes Lächeln. »Das Baby hat jahrhundertelang geschlafen,
und ich habe seine wachsende Macht gespürt. Falls der Junge
wieder zu sich kommt, erbebt vielleicht das ganze Universum.
Und er steht jetzt kurz vor dem Erwachen.«
»Verdammt«, sagte Schwejksam. »Verdammt! Ich hatte vor
all diesen Jahren den Dunkelwüsten-Projektor in der Hand!
Hätte ich es doch nur geahnt …«
»Und was dann?«, fragte Hazel. »Was hättest du damit gemacht, Schwejksam? Ihn benutzt, um Löwenstein vor uns zu
schützen und sie an der Macht zu halten?
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