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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Handford
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doch bei mir dachte ich, wie hoch war wohl die Wahrscheinlichkeit gewesen, Sam unter 1,3 Milliarden Chinesen zu finden. Und doch war sie jetzt bei uns.
    »Dann wäre noch das Risiko einer Fehlgeburt«, fuhr Dr. Patel fort.
    »Ja, auch dieses Risiko ist uns bekannt«, tönten wir wie aus einem Mund.
    »Andererseits«, sagte Dr. Patel, »besteht die Möglichkeit, dass mehr als ein Embryo überlebt.«
    »Auch das ist uns bekannt«, sagten wir und lachten nervös bei dem Gedanken an Zwillinge oder Drillinge plus Sam.
    Wir bedankten uns bei dem Arzt für das Gespräch und teilten ihm mit, dass wir noch eine Sache zu erledigen hätten, bevor wir einen Termin vereinbaren könnten.
    Ein paar Wochen später trafen Tim und ich uns mit Ross und fragten ihn, was er davon hielte, wenn wir Claires Eier nutzten. Er weinte, als er uns sagte, dass dies ein großartiges Geschenk von Claire sei. Dann wünschte er uns viel Glück und umarmte uns beide.
    An Claires dreiundvierzigstem Geburtstag suchten wir die Fertilisationsklinik auf. Ich erhielt eine leichte örtliche Betäubung, dann wurden mir die Embryos eingesetzt – neues Leben, gezeugt von meiner Schwester und meinem Mann. Zum Glück hatte uns Ross seinen Segen gegeben und nun hoffte ich, sie austragen zu können. Zum ersten Mal hatte ich in meinem Leben die Chance bekommen, mit Claire gleichziehen zu können.
    »Wenn es klappt, schön, wenn nicht, auch recht«, sagte Tim und bemühte sich, den nüchternen Fakten ins Auge zu sehen.
    »Ein Versuch ist es wert«, sagte ich. »Und wenn es nicht funktioniert, können wir gleich nach China fahren und dort ein zweites Kind holen. Wer weiß, vielleicht machen wir das eines Tages ja sowieso.«
    »Ich möchte Sie in zehn Tagen wieder hier sehen«, sagte Dr. Patel, als er in den Behandlungsraum zurückkehrte. »Dann gucken wir uns das Ganze an und dann sehen wir weiter.«
    Natürlich war es möglich, dass ich keinen der Embryos behielt, aber zumindest im Moment war ich schwanger – und das gleich viermal!
    Die folgenden Tage ließ ich es ruhig angehen, formte mit Sam Knetmasse, schlenderte durch den Garten, pflückte Blumen, hob ab und zu Laub auf, las stapelweise Bücher und sah mir DVDs an.
    Jeden Mittag um Punkt ein Uhr holten wir Maura ab. Und dann hielten wir alle drei in meinem Bett ein Mittagsschläfchen. Danach gab es für jede von uns ein Glas Milch, etwas Käse und Cracker.
    Zehn Tage später war es so weit und Tim und ich fuhren wieder in die Klinik. Im Wartezimmer schnappte ich mir ein Fotoalbum mit lauter Bildern von Neugeborenen. Sam saß in einer Ecke und spielte mit Bauklötzen und Autos.
    »Sam, schau dir das mal an«, rief ich ihr zu und deutete auf das Album. Sam krabbelte zu mir und zeigte auf ein schielendes, feistes Baby mit mindestens drei Doppelkinnen. »Dieser kleine Junge heißt Brandon Michael O’Donnell. Schon bei seiner Geburt hat er fast fünf Kilo gewogen!«
    Sam schlug mit den Patschhändchen begeistert auf das Album.
    Sobald wir ins Behandlungszimmer gerufen wurden, legte ich mich auf die Untersuchungsliege, während Tim mit Sam auf dem Schoß auf einem Stuhl neben mir Platz nahm. Tim sah mich mit seinem durchdringendsten Blick an, weil er mir nochmals zu verstehen geben wollte, dass die Erfolgschance nur bei fünfundzwanzig Prozent lag. Er wollte mir sagen, dass ich mir keine allzu großen Hoffnungen machen dürfe. Ich nickte ihm zu und gab ihm meinerseits zu verstehen, dass mir das alles bewusst sei und er sich keine Sorgen um mich machen solle. Ich war nicht mehr so wie noch vor Kurzem. Ich war bereit, ein Risiko einzugehen, auf die Schnauze zu fallen und mich wieder aufzurappeln.
    Der Doktor gab Gel auf meinen Unterbauch, verrieb es und fuhr mit der Ultraschallsonde auf meinem Bauch herum, bis er fand, wonach er gesucht hatte. In dem Moment hörten wir es auch: ein leises, zischendes Klopfen:
Wupp – wupp – wupp – wupp!
    »Ah, da haben wir den Herzschlag ja«, sagte Dr. Patel.
    Als ich meinen Kopf drehte, um Tim anzusehen, liefen mir auch schon die Tränen übers ganze Gesicht. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich den Jackpot geknackt. Bisher hatte ich aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz so viel mitgemacht. Wie hoch standen die Chancen, dass ein Mensch so viel Unglück erdulden musste? Und wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass genau diese Person jetzt den Herzschlag ihres ungeborenen Kindes hörte?
    »Gute Nachrichten«, sagte der Arzt und starrte auf das schwarz-weiße

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